Manchmal hat man mal wieder richtig Lust sein Super Nintendo, NES, Mega Drive, SegaCD, 32X, NeoGeo oder seine PlayStation und PC Engine aus dem Keller holen. Aber nur um mit paar Freunden die 3000 Spiele die Kellertreppe hochzutragen, reicht auch ein Mini-PC mit in paar Emulatoren.
Raspberry Pi mit RetroPie
Das geht heute statt mit einem PC im Wohnzimmer mit dem Zigarettenschachtel-großen Raspberry Pi 4 für nicht mal 40 EUR und RetroPie. Das ist ein RaspbianOS mit den Programmen EmulationStation, RetroArch und diversen Emulatoren für alle Systeme jünger als die PS1-Ära. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es das auch?
Schlechte Erfahrungen mit RetroPie
Ich habe mir gedacht, dass eine standardisierte Hardware wie der Raspberry Pi mit vier Xbox 360 Joypads und Xbox 360 USB Empfänger (kaufen) out-of-the-box funktionieren sollte. Schließlich ist das die gängigste Kombination. Falsch gedacht.
Das Nintendo 64 wird unter RetroPie erstmal mit 1080p gestartet. Das sieht nicht nur unästhetisch aus sondern würde auch meinen Mac an sein Limit bringen, wenn er ein N64 emulieren sollte. Das Ergebnis: Unspielbare Performance und Sound-Aussetzer. Das Ende vom Lied war, dass ich mich permanent per SSH auf dem Terminal befand um irgendwelche Config-Dateien zu editieren.
Retropie: Ohne Tastatur kommt man nicht weit
Das die per Joypad benutzbare Oberfläche von Retropie dann regelmäßig auf Terminal-Bildschirme verlinkt hat, auf denen man ohne Tastatur im Haushalt dann in einer Sackgasse landet hat mich dann auch nicht mehr gewundert.
Auch Hotkeys zum Beenden der einzelnen Emulatoren waren weder konsistent für alle Plattformen gleich oder erst gar nicht vorgesehen. Aufgegeben habe ich dann, als die Joypads bei jedem Booten mal funktioniert haben und dann wieder nicht.
Mein Raspberry Pi
Meine „Raspberry Pi“-Box für die RecalBox besteht aus folgenden Komponenten:
- Raspberry Pi 4 (günstig kaufen)
- Gutes Netzteil (nicht daran sparen)
- Schnelle 64 GB Micro-SD Karte (günstig kaufen)
- Xbox 360 Gamepads (günstig kaufen) und XBOX 360 USB Empfänger (hier kaufen) oder 8Bitdo SF30 Pro Pad (günstig kaufen)
- Passiv gekühltes Gehäuse (kaufen)
RecalBox ist Plug&Play
Das Projekt kommt aus Frankreich und versucht die offensichtlichen Fehler von RetroPie auszubügeln. PS3, PS4 und Xbox 360 Joypads funktionieren ohne Konfiguration mit allen Emulatoren.
Das Dateisystem wird automatisch als Samba-Share im Netzwerk freigegeben. Das erlaubt einfaches kopieren von ROMs und Speicherständen über den Dateibrowser. Darüber hinaus kann man über ein Webinterface in die Logs gucken, Bios Versionen und ROMs verwalten. Warum nicht gleich so?
Wenn man einen Screenshots über den plattformübergreifenden Hotkey (Xbox Guide Button und LB) macht, dann landen diese auch gleich im Menü unter dem Punkt Screenshots. Ebenfalls praktisch ist auch die Option zum Zurückspulen.
Super Nintendo mit bis zu 5 Spieler
Spiele wie Super Bomberman konnten damals per Multitap gleichzeitig mit 5 Joypads gespielt werden. Auch Secret of Mana nutzte die Erweiterung für 3 Spieler Coop. Die Recalbox unterstützt dies für alle emulierten Systeme. Somit steht einer Runde zu fünft nichts im Wege. Ich nutze dafür vier Xbox 360 Controller am offiziellen Wireless Adapter (kaufen) und ein SNES USB Joypad (kaufen). Alternativ ist das 8bitDo SN Pro Pad (kaufen) sehr gut. Das lässt sich zusätzlich auch mit der Switch koppeln.
Alle Tastenkombinationen der Recalbox
Hotkey ist bei einem Xbox 360 Pad der Xbox Guide-Button in der Mitte. Bei den PlayStation-Pads der PlayStation-Knopf. Bei den anderen Pad muss man eine sinnvolle Taste im Konfigurationsmenü auswählen.
Hotkey + Start | Emulator beenden und zurück zur Spieleliste |
Hotkey + Y | Savestate laden |
Hotkey + X | Savestate speichern |
Hotkey + Oben | Vorherigen Saveslot auswählen |
Hotkey + Unten | Nächsten Saveslot auswählen |
Hotkey + A | ROM neustarten |
Hotkey + B | Konfigurationsmenü von RetroArch |
Hotkey + L1 | Screenshot machen |
Hotkey + Rechts | ROM vorspulen |
Hotkey + Links | ROM zurückspulen (wenn in den Einstellungen aktiviert) |
Hotkey + R2 | Nächsten Shader auswählen |
Hotkey + L2 | Vorherigen Shader auswählen |
Recalbox als tragbare Konsole
Wenn du lieber unterwegs Retrospielen genießen möchtest, dann gibt es die Recalbox für unterwegs in Form des Odroid Go Advance oder den noch besseren Anbernic RG351V. Damit spiele ich mittlerweile mehr als mit dem Raspberry Pi 4.
Keep it real!
Die Maxime war, dass alle Systeme möglichst nah am Original emuliert werden sollten. Das bedeutet, dass Super Nintendo und Co. mit einem Scanline-Shader versehen werden. Das kennt man auch von der Mega Man Legacy Collection auf der PS4.
Das Nintendo 64 wird unter Recalbox mit sinnvollen 640×480 gestartet und läuft mit voller Geschwindkeit. Dabei sieht es pixelig genug aus, um über die schwache Polygongrafik von früher einen sanften Schleier zu legen.
Auch hier kann man alles in Menüs konfigurieren ohne in irgendwelchen Dateien per Terminal editieren zu müssen. Man kann dies zwar tun und das wurde in Recalbox auch nicht abgeschaltet aber es ist so viel bequemer. Und selbst das braucht man nur ganz selten denn die vorgefertigten Einstellungen sind meistens genau das was ich haben wollte.
Mein Pro-Tipp dazu: Shader #25 crt-pi.glslp mit Hotkey + LT auswählen und das Bild wird wie auf einem CRT gewölbt. Sieht exakt aus wie damals. Ein gutes Beispiel ist Super Mario World auf dem Raspberry Pi.
Input Lag vom Raspberry Pi
Recalbox basiert auf auf Emulatoren, die eine perfekte Simulation der Original-Hardware anstreben. Durch die schwache Hardware des Raspberry Pi ist leider eine Verzögerung bei den Eingaben spürbar vorhanden. Das SNES Classic Mini hat deutlich weniger Verzögerung bei den Eingaben.
Un grand merci à France!
Recalbox haben wir einem kleinen Team von französischen Entwicklern zu tun, von denen leider kaum jemand etwas weiß. RecalBox verhält sich zu RetroPie in etwa wie der Wechsel von Kodi zu OSMC: Aufgeräumter, hübscher und einfacher.
Meiner Ansicht nach ist es aber besser, man konzentriert sich nur auf Systeme, die ohne Abstriche auf einem Raspberry Pi funktionieren und eben mit Joypads steuerbar sind.
Die neue Recalbox 7.0 Dragonblaze
Seit dem 2 Oktober 20 gibt es die finale Version von Recalbox 7.0 mit Unterstützung für C64, Dreamcast und PlayStation Portable. Spiele wie Star Fox 2 kann man jedoch schon länger stabil spielen.
Retro Achievements
Man fühlt sich dann beim Spielen schnell abgenabelt von der Welt. Keine Freundeliste, kein Twitch-Aufnahme-Button und schon gar keine Trophies oder Achievements.
Halt! Letzteres ist nicht richtig. Dank RetroAchievements kann man seinen Fortschritt ins Internet stellen und mit Gleichgesinnten vergleichen. RecalBox hat im Hauptmenü einen Button um seine Zugangsdaten einzugeben.
Wer sich am Input Lag der Recalbox stört, der sollte sich lieber für das SNES Classic Mini entscheiden, welches es hier günstig zu kaufen gibt. Alternativ kann man auch einen Odroid XU4 von Hardkernel für Recalbox nutzen. Dieser ist deutlich schneller aber hat leider auch seine eigenen Macken. Eine tragbare Alternative sind auch die Emulationshandheld im Gameboy Look.
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