Outer Wilds: schwer und frustrierend


Outer Wilds hat mich leider enttäuscht

Bitte Outer Wilds nicht mit dem Fallout-Klon Outer Worlds verwechseln, der ebenfalls im Jahr 2019 erschienen ist. In Outer Wilds explodiert in einem Mini-Universum bestehend aus 8 Planeten nach 22 Minuten die Sonne. Der Spieler wacht danach am Lagerfeuer wieder auf. Man muss herauszufinden, wie man die Apokalypse verhindern kann. Wenn man vorher stirbt, wacht man ebenfalls wieder auf und der Loop geht von vorne los. Damit reiht sich Outer Wilds in ein ganz besonderes Genre ein: Clockwork Games. Beispiele dafür sind Zelda: Majoras Mask und Dead Rising.

Das Spiel ist wie für mich gemacht

Alles an Outer Wilds scheint wie für mich gemacht: unkonventionelles und intelligentes Gameplay mitsamt hohen Wertungen auf Metacritic. Zusätzlich haben mir das Spiel zwei Freunde mit gutem Geschmack empfohlen: Mr. Dark Souls Mo und Minecraft Andy. Muss ja ein tolles Spiel sein. SpoilerMarc Alarm: Nach diesem Artikel braucht ihr Outer Wilds nicht mehr zu spielen.

Kurzer Abstecher mit dem Raumschiff zum Mond des Heimatplanten

Meine Vorstellung von Outer Wilds

Ich dachte, Outer Wilds spielt sich wie ein Teil von Zelda: In 22 Minuten lernt man neue Fähigkeiten, mit denen man auf den Planeten Rätsel löst. Die Story wird visuell erzählt und am Ende wird man durch einen genialer Storytwist überrascht. So wie bei Westworld. Ich dachte an Auflösungen wie: Wir sind in Wirklichkeit böse und haben selber bewusst die Explosion eingeleitet. Oder nur aus Versehen. Oder um noch Schlimmeres zu verhindern wie in der Story von Halo. Ein Universum voller spannender Möglichkeiten wartet nur darauf entdeckt zu werden! Aber länger als wenige Stunden Spielzeit habe ich für den Indie-Titel nicht eingeplant.

Was Outer Wilds wirklich ist

Die Story des Spiels passiert ausschließlich im Kopf des Spielers. Wissen über die Situation in der Galaxy ist die einzige Fähigkeit, die man mühsam sammelt. An Informationen gelangt man nur über die Texte einer ausgestorbenen Alienrasse namens Nomai. Dieses Wissen wird in einem Logbuch als Mindmap festgehalten. Das Logbuch kann nach dem Ableben wieder eingesehen werden. Alles andere wird wieder zurückgesetzt. Bis auf das aller letzte Rätsel gibt, es kein klassisches Rätsel wie man sie von anderen Titeln kennt. Die Aktionen des Spielers beschränken sich auf Raumschiff fliegen, Springen, Taschenlampe an- und ausschalten und sich um die eigene Achse drehen. Diese Dinge muss man zur richtigen Zeit am richtigen Ort tun. Und die Belohnung ist immer nur unter Zeitdruck sehr, sehr viel Text lesen. Dieser Text ist auch sehr klein dafür, dass er so wichtig ist. Es gibt keine Zwischensequenzen, keine Animationen, keine In-Game-Sequenzen. Text geschrieben aus der Perspektive der Nomai ist alles, was man bekommt. Selbst die Dialoge mit den Bewohnern sind nur langer Text ohne Sprachausgabe. Kurz: Es ist das Dark Souls der Text Adventures.

Einzige Informationsquelle: Mit dem Übersetzer Nomai Schriften übersetzen.
Einzige Informationsquelle: Mit dem Übersetzer Nomai Schriften übersetzen.

Frust durch Zeitdruck, die Steuerung und Reparaturen

Drei Dinge habe ich beim Spielen regelrecht gehasst. Erstens den Zeitdruck. Ich habe im Leben genug Zeitdruck. Mein ganzer Job dreht sich letztendlich darum, diesen möglichst zu vermeiden. Die Sonne explodiert meistens genau dann, wenn man gerade spannende Texte gefunden hat, die vielleicht den nächsten Tipp enthalten. Auch wenn das Spiel optional die Zeit anhält, wenn man gerade liest, kann ich unter diesen Bedingungen nicht entspannt den Worten der Nomai folgen. Ich habe dann schnell die Texte geskippt um mir nachher im Logbuch die Kurzform durchzulesen.

Zweiten Punkt: Die unsäglich schlechte Steuerung. Outer Wilds simuliert die Gesetze des Universums äußerst genau und realistisch. Das betrifft Gravitation genau so wie schwarze Löcher. Bei der Entwicklung hätte man Shigeru Miyamoto, dem Spieledesigner von Super Mario, die Tür von Mobius Digital eintreten lassen sollen. Dann hätte er die Steuerung des Raumschiffs und des Jetpacks im Raumanzug radikal vereinfacht und zumindest diesen Frust entfernt. Stattdessen knallt man mit dem Schiff unkontrolliert gegen Wände und wird am Boden mit Kakteenstacheln durchbohrt. Schließlich hat man ja keinen Abschluss in Astrophysik um vorherzusehen, dass man plötzlich durch die große Masse der Sonne angezogen wird.

Meine weitere Garantie für Frust: Reparatur am Raumschiff und Raumanzug. Wieso hat jemand diese Designentscheidung getroffen, dass man das Raumschiff nach Kollisionen reparieren muss? Dasselbe gilt für den Raumanzug. Dieser hat einen kleinen klitzekleinen Treibstofftank. Und wenn der leer ist, dann wird der ebenfalls endliche Sauerstoff verwendet. Zu oft war mein Treibstoff aufgebraucht und ich trieb alleine durchs All.

Die Planeten sind allesamt bizarre und kreative Orte

Wo ist der Wahrsager aus Zelda?

Im Spiel Zelda – A Link to the Past gibt es einen Wahrsager. Der gibt gegen ein paar Rupees einen Tipp, wo man als nächstes konkret hingehen sollte. Genau so eine Funktion habe ich bei Outer Wilds ständig vermisst. Natürlich kann ich meine Freunde fragen, aber die müssen sich erstmal im Logbuch einen Überblick verschaffen, was ich schon rausgefunden habe. Stattdessen gibt es ein ganzes Dorf auf dem Heimatplaneten. Die Einwohner wissen aber leider auch nichts über die bevorstehende Katastrophe und können mir auch nicht helfen.

Ich bin zu dumm für das ruckelige Weltall

Selbst wenn man dann eine wichtige Information gefunden hat, wusste ich nie, wo diese denn nun benötigt wird oder ob mir noch etwas fehlt. Beispielsweise wurde ich im Inneren des Planeten Dark Ramble immer von einem riesigen Anglerfisch gefressen. Mühsam erlangte ich die Information, dass diese Fisch blind sind. Der Trick war jedoch im Planten einfach schneller zu fliegen als die Fische. Das Wissen half mir aber erst am Ende der Reise in Dark Ramble. Das merkte ich aber erst, als ich durch Mo im Twitch-Stream darauf hingewiesen wurde. Ich gebe offen zu: bei mindestens vier solcher Momente habe ich die Lösung nachgeschlagen. Der Zugang zum Ash Twin Project? Nie im Leben wäre ich da selber drauf gekommen. Das Spiel macht es mir als Liebhaber von schweren Spielen ironischerweise nicht leicht.

Ein weiterer Aspekt von Outer Wilds ist die unterirdische Performance. Selbst auf der Xbox One X stottert die Grafik über den Bildschirm. Dazu ist es nicht einmal besonders gut gestaltet. So ein Projekt hätte man besser in seiner eignen Engine und nicht mit Unity umgesetzt.

Hourglass Twins: Sand rieselt innerhalb von 22 Minuten von Ash Twin in den Ember Twin.
Die Hourglass Twins sind eine geniale Idee: Sand rieselt innerhalb von 22 Minuten von Ash Twin in den Ember Twin.

Aber wenigstens ist die Story toll…

Die Nomai sind vor tausenden Jahren in der Galaxie gestrandet und wurden auf die Planeten verteilt. Sie waren auf der Suche nach dem „Eye of the Universe“. Diese etwas soll älter das Universum selber sein. Um das Auge zu Lebzeiten zu finden, haben sie dann das Ash Twin Project gebaut. Irgendwie wollten sie per Zeitreise immer wieder 22 Minuten in der Vergangenheit landen und ihr Wissen behalten. Das brauchte aber so viel Energie, dass sie meinten die Sonne zur Explosion bringen zu müssen. Die Nomai erleben das aber alles nicht mehr. Vielmehr muss der Spieler das Ash Twin Projekt zu Ende bringen. Dafür fliegen wir mit dem „Advanced Warp Core“ und den Koordinaten zu dem ursprünglichen Raumschiff „Vessel“ und der Loop ist vorbei. Dann wird der omnipräsente Banjo-Song von allen Jungs ums Lagerfeuer zusammen gespielt. Ende.

Leider hat mich diese Auflösung weder erzählerisch noch emotional berührt. Zusätzlich gibt es ein paar mehr oder weniger witzige Enden, bei denen man beispielsweise das Raum-Zeit-Kontinuum zerstört oder es den Spieler doppelt gibt. Für mich war die größte erzählerische Überraschung, dass Nomai selber die Sonne zum Explodieren bringen wollten. Aber einen echten Storytwist gibt es meiner Meinung nach nicht.

Das erste Feature was ich einbauen würde: Nach dem Sterben kurz vorher wieder einsteigen und weitermachen.
Mockup: Nach dem Sterben zu einem wählbaren Zeitpunkt wieder einsteigen und weitermachen.

Das Spiel braucht ein Remake!

Obwohl man nachher knapp 15 Minuten benötigt, um das Ende zu sehen, muss man mindestens 20 Stunden in die Erkundung der Planeten stecken. Länger als 5 Stunden darf das meiner Ansicht nach nicht dauern. Mehr fehlte die Geduld und das Archäologen-Gen um das Spiel toll zu finden. Dabei ist die Idee des 22-Minuten Loops und die kreative Umsetzung der Planeten grandios. Nie werde ich die Hourglass Twins oder den Tornado-Planten Giants Deep vergessen. Allerdings kann man vieles besser machen.

Keine Texte mehr als Belohnung

Ich würde zu gerne einen Director’s Cut produzieren, der das viel zu komplexe Spiel auf die spaßigen Elemente reduziert. Die Texte würde ich dabei vollständig abschaffen und gegen Hologramm-Darstellungen in der Spielewelt ersetzen. Diese Hologramme würden dann das Schicksal der Nomai visuell erzählen. Und zwar nur die absoluten Schlüsselmomente und nicht die langweiligen Passagen die nicht hängen bleiben. Ähnlich wie bei Everybody’s gone to the Rapture. Das Spiel kam komplett ohne Text aus und man hat trotzdem die komplexe Handlung verstanden. Wer nur Geschichten erzählen will, sollte Bücher schreiben oder Serien produzieren aber keine Videospiele.

Story in a game is like a story in a porn movie. It’s expected to be there, but it’s not that important.

John Carmack – Ehemaliger Co-Founder von id Software

Alles was keinen Spaß macht raus

Raumschiff und Raumanzug könnten nicht mehr kaputtgehen. Durch eine vereinfachte Steuerung wird das Navigieren durch die Galaxie radikal vereinfacht. In einem Spiel über Raum- und Zeitreisen würde ich den Spieler nach dem Ableben genau da anfangen lassen, wo er zuletzt war: Man lässt den Spieler einfach selber den Zeitpunkt wählen, wann er wieder einsteigen will. Und die nervige Banjo-Musik muss weg.

Es gibt bessere Alternativen

In dem aktuellen Zustand hat mich das Spiel leider fast ausschließlich genervt. Sorry Mo. Jedoch fehlte selbst Andy die Geduld Outer Wilds durchzuspielen. Wer clevere Spiele sucht, der spielt meiner Ansicht nach lieber The Witness oder wird zum Babo. Diese Spiele sind im Gegensatz zu Outer Wilds kindersicher, weil nicht plötzlich Anglerfische aus dem Nichts auftauchen und mich fressen wollen. Am besten spielt man Outer Wilds gratis im Game Pass (kaufen).

Wertung

Outer Wilds: Unter dem sperrigen Gameplay dieser langatmigen Reise steckt eine geniale Idee. Leider war ich nicht in der Lage das kreative Spiel in der Form wertzuschätzen. Marc

5
von 10
2020-07-09T21:26:18+0200

Kommentare

Eine Antwort zu „Outer Wilds: schwer und frustrierend“

  1. Avatar von Sascha Nemeth
    Sascha Nemeth

    Das Spiel wird ja von allen Seiten empfohlen, weshalb ich auch mal durchgerungen habe, es nun zu spielen. Ich bin zwar noch nicht ganz durch, aber kann die meisten von dir genannten Schwächen sehr gut nachvollziehen.

    Eine so große Welt zum erkunden, lädt nicht nur zum erkunden, sondern auch experimentieren ein. Dies hat der Entwickler bis auf ein paar Rätsel, leider völlig außer acht gelassen.

    Hätte man auch das Schiff durch den Zeitloop geschickt, hätte man das Schiff gut mit Komponenten aus der Spielwelt reparieren und sogar erweitern können. So wären manche Orte erst mit richtiger Ausrüstung weiter und tiefer passierbar geworden.

    Auch hätte es der Geschichte nicht schlecht getan, wenn die NPCs nicht einfache Geschichtenerzähler gewesen wären, sondern man bei manchen hätte kleine Aufgaben erledigen müssen. Wie zum Beispiel sie von einem Planeten/Mond retten, oder etwas zu ihnen bringen und vor allem welche am Ende der Reise sogar mitzunehmen.

    Das hätte der Routine sicherlich ein wenig Abwechslung gebracht und die Welt lebhafter gestaltet. Auch wenn natürlich nach einem Durchlauf, alles hätte wieder am Anfang stehen können. Aber zumindest hätte es vielleicht auch ein paar nette Überraschungen gebracht, wenn man anstatt wem mit dem Schiff nach Hause zu bringen, ihn die Zeitreise miterleben lässt.

    Nur erzählerische NPCs und untervertonte Texte, haben dem Spiel in der Tat viel Atmosphäre genommen, vor allem da man immer zu schnell die Texte überflog, da man ja so unter Zeitdruck steht.

    Das nimmt nach ein paar Zeitsprüngen die Lust und es verkommt nur noch zu einem routinierten abgrasen der Schauplätze, ehe man sich so langsam ein Reim anhand der Log machen kann.

    Kurz gesagt, tolle Idee, aber leicht enttäuschend kleingehaltene Umsetzung. Aber auf der anderen Seite, ist es auch ein Indie-Spiel, was die Kritik vielleicht etwas ungerechtfertigt klingen lässt. Aber man darf ja trotzdem noch träumen.

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