Ich habe mein Leben entrümpelt und mich in den letzten Wochen und Monaten in diversen Lebenslagen immer weiter ganz bewusst verschlichtert. Die Bezeichnung für die Maxime „Verschlichter Dich“ habe ich übrigens von ben_ und ist ein Synonym für mehr Minimalismus und Demut im Leben.
So wurden über 50 % meiner T-Shirts von mir entsorgt und fast sämtliche physikalische Medien mussten gehen. Insgesamt haben mind. 6 volle Müllsäcke meine kleine Wohnung verlassen und 15 Päckchen wurden per Post verschickt. Auch virtuell wanderten diverse Bits und Bytes in digitale Nirvana. Man merkt es schnell: Wenn ich eines sicherlich nicht bin, dann wohl ein Sammler. Ich verspüre keinen Drang danach, voller Nostalgie in alten Zeitschriften zu blättern oder mal die verstaubte Konsole aus dem 20. Jahrhundert aus dem Keller zu holen.
Keine Dekoration – alles hat seinen Zweck
Bei mir steht selten etwas unnötig herum, weil ich schlicht nichts habe, das herumstehen oder herumliegen könnte. Ich besitze nur drei Aktenordner und sämtliche alte Unterlagen der Universität und der Schule wurden entsorgt. Und wenn man wirklich mal etwas in alten Zeiten schwelgen möchte, dann reicht auch ein Foto des alten Lieblings-T-Shirts.
Mit DVDs verhält es sich bei mir genauso wie mit CDs: Ich habe kein Wiedergabegerät jenseits des Laptops oder der Xbox dafür. Also habe ich alle Datenträger, die es wert waren, eingelesen und erfreue mich nun in iTunes und meiner WDTV-Box den digitalen Daten.
Ich war es eines Tages leid, dass ich bei zufälliger Wiedergabe immer wieder Lieder in iTunes hörte, die ich nicht mochte. Das passiert wenn man vollständige Alben besitzt und eigentlich zwei Lieder wirklich gut sind oder einem gelegentlich mal MP3s mitgebracht werden. Deswegen habe ich einen regnerischen Tag damit zugebracht, alle überflüssigen Songs endgültig auszusortieren – und zwar radikal.
Nun ist jeder Song hörenswert und für jedes Album ein Cover zu laden, war keine Sache der Unmöglichkeit mehr
Kein Bücherregal
Manchmal – obwohl seien wir ehrlich – immer wenn jemand meine Wohnung zum ersten Mal betritt, werde ich gefragt, wo denn meine Bücher seien. Ich denke, wir sind aus dem Zeitalter raus, bei dem ein großes Bücherregal ein Statussymbol für das eigene Wissen gewesen ist. So nach dem Motto: Ich habe viele Bücher, also bin ich auch schlau und das zeige ich auch allen. Meistens ist es aber mehr eine Dekoration des Raumes und die Leute können sich gar nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal wirklich etwas nachgeschlagen haben.
Bei mir mussten also alle restlichen Bücher so wie alle alten Zeitschriften wie die 90er-Jahrgänge der Zeitschrift Videogames ihren Platz räumen. Gleichzeitig habe ich mir auch mein erstes E-Book gekauft. Mittlerweile lese ich fast täglich auf meinem Amazon Kindle.
Dadurch habe ich nun wesentlich mehr Platz im Schrank und auf dem Dachboden. Außerdem kann beim nächsten Umzug niemand über die gefürchteten „Bücher“-Kisten meckern.
Social Networks
Weiter ging es mit Twitter. Social Networks sind wirklich toll: Egal ob man sich über den Kauf einer Waschmaschine informieren möchte oder Wohnungen angeboten bekommt. Was aber keinen Sinn ergibt ist, dass man über 100 Leuten folgt und deren Tweets verfolgt. Deswegen habe ich nachgesehen, wer denn länger nicht aktiv war oder wer eigentlich nichts Relevantes für mich twittert. So habe ich die Anzahl aller Leute, denen ich folge, um zwei Drittel reduziert. Zuletzt habe ich alle Leute, die ich im echten Leben getroffen habe und mir somit wichtig sind, in einer Twitterliste namens met-in-reallife organisiert. So ist niemand ggf. traurig, weil ich ihr/ihm nicht mehr folge.
Der Effekt ist verblüffend: Plötzlich macht Twitter wieder richtig Sinn denn jeder Tweet ist relevant.
Die Kramschublade
Ein Ort, der alles schluckt, was man ja nicht mehr benötigt, aber trotzdem noch aufgehoben wird. Was will ich im Jahre 2010 noch mit einem USB-Disketten-Laufwerk oder einer 3D-Shutterbrille? Oder mit SCART-Adaptern im Zeitalter von HDMI? Ich habe bestimmt 60 verschiedene Kabel bei mir zu Hause gehabt für Geräte, die gar nicht mehr gebaut werden. Damit kann man anderen Leuten auf Facebook eine Freude machen, wie ich festgestellt habe. Schlüsselanhänger, 32 MB SD-Speicherkarten, Werbegeschenke u. v. m. sind dann doch in der Tonne gelandet. Dasselbe gilt auch für alte Konsolen. GameBoy, Dreamcast, PSP usw. mussten mein Haus verlassen. Für immer.
Zum Teil verstecken sich wahre Schätze in der eigenen Rumpelkiste der noch gut Geld bei eBay bringen.
Technikschrott
Ich hatte wie jeder Computer-Freak einen Karton mit alten CDs, USB-Festplatten und sogar einigen Disketten (!) als „Archiv“ an beliebiger Stelle im Zimmer. Wenn man sich diesen Datenträgern annimmt, stellt man zwei Dinge fest:
- CDs halten nicht besonders lange. Sie sind in der Regel nach wenigen Jahren nicht mehr lesbar.
- Die meisten Daten, die man damals noch für bedeutungsvoll hielt, sind es heute nicht mehr.
Datenrettung bekommt so eine ganz neue Bedeutung. Besonders meine alten Text- und Exceldokumente habe ich nun alle in Google Docs importiert. Und wenn ich Google Mail nicht schon lange gehabt hätte, dann wären wohl in jüngster Vergangenheit alle lokalen Mails in die Cloud gewandert. Die alten CDs habe ich zerstört und kleine, alte externe Festplatten kann man verkaufen oder verschenken.
Was mich auch mit tiefer innerer Zufriedenheit erfüllt hat, ist das Aufräumen meines Mac-Desktops. Mit einem schönen minimalistischen Desktop-Hintergrund und ein paar Änderungen an meinem Desktop bietet man der alltäglichen Arbeit schon einen viel aufgeräumten Rahmen. Danach konnte ich es mir auch nicht nehmen lassen durch mein Blog zu surfen und alle überflüssigen Dinge zu entfernen wie Datums- und Zeitangaben so wie unnötige Linien und Blöcke. Außerdem macht es in meinen Augen wenig Sinn, sich permanent über den Status der Dropbox, seiner E-Mails oder Temperatur seines Computers durch plötzlich auftauchende oder permanent eingeblendete Meldungen informieren zu lassen. Wie Peter Lustig damals schon immer gesagt hat: »Abschalten«.
Man ist nicht durch Dinge jeglicher Art abgelenkt und kann sich voll auf eine Sache konzentrieren.
T-Shirts reduzieren
Wobei ich Beistand in Form meiner Freundin benötigte, war das Entsorgen meiner T-Shirts. Mich von meinem Blue Assassins-T-Shirt zu trennen ist so ungefähr so, wie ein Hattori Hanzō Schwert zu versetzten. Deswegen muss ein objektives Auge darüber urteilen, welche Shirts noch einigermaßen gut aussehen und welche man höchstens als Lappen benutzten kann. Letztlich musste die Hälfte meiner T-Shirts gehen. Gleiches gilt für Unterwäsche, alte Handtücher und kaputte Hosen.
Kommen wir zur Küche. Nach einer Analyse über den Zeitraum von einem Monat über den Inhalt der Besteckschublade wurden über 50 % des Inhaltes vorerst in einem temporären Karton gelagert und nach und nach verschenkt oder verkauft. Dasselbe passiert nun im selben Schritt mit Töpfen, Schalen und allen anderen Behältnissen. Solche Szenarien entstehen dadurch, dass zwei Haushalte zusammen geführt werden und man sich zuerst nicht von „seinen“ eigenen Sachen trennen konnte.
Ergebnis: Viel mehr Platz im Kleiderschrank, bei dem das Zusammenlegen der Klamotten mehr Spaß macht.
Kein Chaos
Der Ursprung bzw. der Grund für so ein Handeln ist bei mir schnell gefunden: Mein Leben ist komplexer geworden. Der Sprung vom Studenten hin zu einer Person mit mehr Verantwortung in praktisch allen Lebenslagen hat mich Sicherheit dazu beigetragen, dass ich mir nicht nur Wünsche mein Leben einfacher sei, sondern auch überschaubarer. Ich habe gemerkt, dass ich mit weniger Gewicht an meinen Füßen flexibler auf Veränderungen oder Probleme reagieren kann. Das ist wahrscheinlich auch eine Phase, die jeder Mensch unterschiedlich stark durchmacht.
In der letzten Zeit habe ich durch Umzüge das Inventar anderer Wohnungen gesehen inkl. der Dinge, die man normalerweise nicht sieht. Dann habe ich überlegt, welche Dinge ich wirklich zum Leben benötige – und herausgefunden, dass ich eigentlich mit verdammt wenig auskomme. Da ich meine Ernährung auch etwas umgestellt und entschlackt habe, war eine Ausweitung der Entschlackung auf andere Bereiche meines Lebens der konsequente nächste Schritt.
„Verschlichterung ist auch eine gewisse Einbusse von Persönlichkeit.“ Diesen Satz habe ich schon öfters gehört. Aber ich halte es so: Nichts Materielles definiert mich als Mensch oder als das, was ich bin. Natürlich machen Dinge, die man real oder virtuell im Laufe der Zeit an anhäuft. Das macht einen Menschen aus. Eine weiße, kahle Wand sagt eben unter Umständen weniger über die Wohnung und somit über die Person aus als ein ganz bestimmtes Bild. Und wenn erst mal etwas weggeworfen oder verkauft wurde, dann ist es auch unwiederbringlich und für immer weg. Das kann manchmal auch etwas Trauriges an sich haben.
Reinwaschung
Letztlich aber bedeutet eine solchen „Reinwaschung“ auch einen Neuanfang. Dinge, die geblieben sind, haben eine höhere Bedeutung als vorher. Ein ganz bestimmtes kleineres Bild an einer sonst weißen Wand gewinnt an Bedeutung und man kann die leeren Regale behutsam mit neuen Dingen füllen. In meinem Fall wird das aber schwierig, weil ein kompletter Schrank gleich mit entsorgt wurde.
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