Je weiter man in eine virtuelle Spielewelt eintaucht und alles um sich herum vergisst, desto mehr identifiziert man sich mit dem Spiel und steigert so ggf. die Motivation es weiterzuspielen. Das bezeichnet man als Immersion. Aber was treibt uns Spieler eigentlich dazu, bestimmte Spiele bis zum letzten versteckten Bonuslevel durchzuspielen und wiederum andere Titel nach wenigen Minuten für immer links liegen zu lassen? Selbstverständlich spielen dabei viele subjektive Faktoren vielleicht die wichtigste Rolle.
Grafik ist nicht relevant für die Immersion
Die Grafik kann es für sich stehend nicht sein. Denn sonst hätte man vor 10 Jahren kein Spiel durchgespielt. Dazu benötigen wir anscheinend noch nicht mal 3D-Brillen oder anderes Equipment für den Besuch in der virtuelle Realität. Es reicht scheinbar die Illusion die das Spiel durch sich selbst und seine Interaktion erzeugt. Doch je älter ich werde, desto mehr Ansprüche stelle ich persönlich an die motivierenden Elemente der Computerspiele.
Was motiviert uns weiterzuspielen?
Eine weithin anerkannte Definition für Spiele stammt von dem Kulturanthropologen Johan Huizinga. In seinem Hauptwerk Homo ludens von 1939 schreibt er:
Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.
Ich habe vor einiger Zeit etwas über erwachsene Videospiele geschrieben. Darin ging es auch viel um das Thema Motivation für erwachsene Spieler. Solange ich meine Spielekonsolen für mich und nicht für meine Kinder und/oder Frau kaufe, habe ich kein Bedürfnis mehr nach kunterbunten Videospielinhalten.
Spiele wachsen mit
David Cage von Quantic Dream, den Machern von Fahrenheit, Omikron und bald Heavy Rain hat es in einem Interview von 1up.com auf den Punkt gebracht: Wenn man älter wird liest man nicht mehr die selben Bücher und guckt nicht mehr die selben Filme wie damals sondern man möchte in der Regel etwas mit tiefsinnigeren und bedeutungsvolleren Inhalten fernab von herkömmlichen Superhelden.
Auch wenn ich kein großer Freund von dem QTE-Konzept von Fahrenheit oder Heavy Rain bin, ist das genau der Grund warum ich Spiele wie Lost Odyssey, Final Fantasy X, The Darkness, Shadow of the Colossus, ICO aber auch Braid und REZ HD gerne spiele. Ich habe bei diesen Titeln das Gefühl, dass mir versucht wird mehr mitzugeben als die bloße Spielerfahrung. Computerspiele spielen ist genauso sinnlos oder sinnvoll wie Bücher lesen oder Fernsehen gucken.
Spiele müssen sich weiterentwickeln
Genau wie gewisse Bücher und auch Filme diesen Effekt haben können haben sich Spiele in diesem Bereich noch nicht genügend emanzipiert. Das ist natürlich auch schwer, wenn man im Moment mehr Geld mit Fuchtelspielen für Groß und Klein verdienen kann als mit teuren Spieleproduktionen und Spiele wie Gears of War weitläufig nicht als Parodie wahr genommen oder erkannt werden.
Mein Anspruch an diese Werte sind mittlerweile so hoch, dass ich dadurch auch weniger Spiele. Wer sich übrigens über den Titel REZ HD in Bezug auf Handlung und Motivation wundert, sollte wirklich mal Level 5 dieses göttlichen Spiels erleben.
Identifikation
Je älter ich werde, desto weniger empfinde ich mich als Spieler in der Rolle meiner Spielfigur. Als ich damals Super Mario auf dem SNES gespielt habe oder DOOM auf dem PC, da war für mich klar, dass ICH das bin, der da auf dem Bildschirm umher rennt. Heute ist das anders. Auch bei 3D-Shootern bin ich mir permanent bewusst, dass ich die Geschichte eines anderen Spiele. Darunter leidet die Immersion auf gar keinen Fall aber ich sehe ich mehr als Zuschauer, der die Geschichte bzw. den Spielefluss lenkt und weniger als die Person selbst.
Ich identifiziere mich mehr mit der Spielewelt und der Stimmung. Die vielleicht stärkste Identifikation hatte ich bei Final Fantasy X und der Geschichte um den Protagonisten Tidus, der in einer fremden Welt 1000 Jahre in der Zukunft lernt, dass seine Maximen und Regeln, die er zu kennen glaubte, nicht wirklich existieren und er selbst nur der Traum eines anderen Volkes ist. Die Beziehung zu seinem Vater und seiner Kindheit standen zu dem in Vordergrund der Handlung. Diese Geschichte hat mich wirklich interessiert und es ist noch nicht mal so, dass ich die Probleme des Spiels auf mich projezieren konnte aber die Welt war glaubhaft dargestellt und es brachte mich zum Nachdenken.
Spiele für Erwachsene
Nur wenige Spiele es geschafft mich nachhaltig zu beeindrucken. Auch der soziale Faktor des Spiels Online-Rollenspiels Anarchy Online hat mich damals sehr vereinnahmt und auch in vielerlei Hinsicht geprägt. Spiele können sehr wohl auch weitreichend positive Auswirkungen auf das Denken nach dem Spiel haben. Dazu gehört das oben erwähnte Lost Odyssey, das aber erst ab Disc 3 handlungsmäßig an Relevanz gewinnt.
Der Grund warum ich diesen Text schreibe ist, dass ich immer weniger gefallen am Spielen habe, desto älter ich werde. Es gibt einfach zu wenig Spiele, die meinen Ansprüchen als erwachsener Mensch genügen. Selbst wenn wir uns per 3D-Brille oder gleich per Stecker im Kopf uns die perfekte Immersion erschaffen könnte so müsste der Inhalt dieser Spiele auch mit mir mitwachsen.
Spiele ich als Opa noch Spiele?
Was spiele ich wenn ich 40 oder 50 Jahre alt bin? Gibt es dann Computerspiele, die mir Thematiken und genügend Motivation für meine dann wahrscheinlich ganz anderen Bedürfnisse liefern? Spiele ich dann überhaupt noch?
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