Im Zuge unseres Konsolentauschs hatte ich Gelegenheit endlich Heavy Rain auf der PlayStation 3 durchspielen zu können.
Der Kindermörder
Die Geschichte spielt im Jahr 2011 und stellt eine Mordserie an mehreren Jungen in einer nicht näher bezeichneten US-amerikanischen Großstadt dar. Die Morde laufen stets nach dem selben Schema ab: Die Jungen verschwinden und werden einige Tage später ertränkt gefunden. Auf ihrer Brust liegt eine Orchidee und in der Hand halten sie eine Origami-Figur. Deswegen auch der Untertitel: „The Origami Killer“.
Quick-Time Events als Spielidee
Im Fokus des Spiels stehen vier Personen, die alle auf der Suche nach dem Mörder sind. Wie schon der Vorgänger Fahrenheit treiben kurze Kapitel die Handlung mit QTE-Sequenzen, dem schnellen Drücken von Knöpfen im richtigen Moment, voran. Dieses Prinzip kennt man schon aus dem Dreamcast-Spiel von 1999: Shenmue oder noch viel früher aus den 80er Jahren von den Laserdisc-Spielen wie Dragon’s Lair.
Gute Grafik ist Augenwischerei
Grafisch sieht Heavy Rain besonders am Anfang wirklich unglaublich gut aus und stellt so einen Grad an Emotionen dar, wie ich ihn sonst nur aus der Final Fantasy-Reihe kannte. Die Handlung richtet sich nach den Entscheidungen des Spielers und dessen Erfolgen in Geschicklichkeitspassagen. Der Ablauf wird bis zum Ende jedoch geringfügig beeinflusst, während das Finale und die Zukunft der Figuren von diesen Entscheidungen stärker beeinflusst werden.
Das Schlechteste von Shenmue geklaut
Der Plot dreht sich später um die Frage, wie weit man gewillt ist zu gehen, um das Leben eines geliebten Menschen zu retten. Schnell wird klar, dass die QTE Sequenzen schwerer werden, je mehr man auf die kranken Wünsche des Killers eingeht.
Wenn man diesem Weg folgt, wird man am Ende von Heavy Rain mit der besten Auflösung der Handlung belohnt: Der Mörder wird gefasst und alle haben überlebt. Zudem kann man nur an zwei Stellen wirklich relavante Entscheidungen treffen, ohne dass diese offensichtlich nur durch eine lange und schwierige QTE-Sequenz zu erreichen sind. Beide Male hat man zudem eine Waffe in der Hand und kann entweder abdrücken oder es sein lassen.
Heavy Rain ist kein Spiel
Anders als bei Point’n’Click oder Action-Adventures gibt es nur ein echtes Rätsel am Ende zu lösen, dass aber wiederum so einfach ist, dass man es fast nicht mehr Rätsel nennen kann. Im Prinzip ist Heavy Rain also ein recht lineares Schauspiel, dass durch die QTE-Passagen entweder besser oder eben schlechter ausgehen kann.
Anders als bei zum Beispiel Shenmue gibt es kein Gameplay mehr im eigentlichen Sinne, welches Spiel zusammen hält. Mir wurde das ca. ab der Hälfte ziemlich langweilig und ich wollte eigentlich nur noch das Spiel endlich beenden um zu erfahren, wie das Spiel ausgeht. Als Film hätte es viel besser funktioniert als dass man sich durch die QTE-Sequenzen quälen muss. Heavy Rain ist deswegen weit davon entfernt als „Spiel“ bezeichnet zu werden.
Die Grafik ist nur ein Trick
Was mich nicht losgelassen hat, war der Kontrast zwischen der beeindruckenden Grafik am Anfang und dem Ruckeln und Tearing im weiteren Verlauf des Spiels. Zwischen den Kapiteln mit den unverschämt langen Ladezeiten wechselte die Grafik immer wieder zwischen unglaublich und technisch durchwachsen.
Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es zwar so aussieht, als ob die PlayStation 3 die grafisch beeindruckenden Szenen in Echtzeit berechnen würde aber diese statt dessen abgelegte BluRay-Filme sind. Und tatsächlich: auf der Bluray-Disk befinden sich zu einem großen Teil genau diese Filmdateien. Zwar sind diese offensichtlich mit der Spielengine erstellt worden aber mit Sicherheit nicht auf der PlayStation 3 berechnet worden.
Kleine Fehler sollen Echtzeit simulieren
Die Zwischensequenzen enthalten sogar kleine Fehler und Low-Polymodelle, damit es mehr nach Spielgrafik aussieht. Durch das Medium der BluRay-Disks ist genug Speicherplatz vorhanden, damit man keine typischen Kompressionsartefakte des Videocodecs sieht. Im Internet findet man nichts zu diesem Phänomen und an vielen Orten wird Heavy Rain wegen dem unglaublich guten Intro in vermeidlicher Echtzeit gelobt und bewundert. Dieser Trick wird natürlich nicht nur von Heavy Rain sondern z.B. auch von Gears of War genutzt aber dort dominiert er nicht so wie hier sondern wird nur sehr selten genutzt.
Wenn man sich aber nun den Inhalt der BluRay-Disk ansieht, dann nimmt ein großer Teil des Speicherplatzes der Video-Ordner ein. Zwar tun dies auch andere Spiele um z.B. Ladezeiten zu kaschieren wie Alan Wake oder das gesamte Intro von Mass Effect 2 auf der Xbox 360. Aber bei denen wird es nicht wie am Beispiel von Heavy Rain zum grafischen Grundkonzept erhoben.
In meinen Augen sind als Film abgelegte Zwischensequenzen eine Technik, die sehr gerne bei Spielen auf der PS3 benutzt wird um nicht ausreichende Grafikleistung zu kompensieren. Dazu gehören sehr wahrscheinlich auch die Cutscenes von z.B. Uncharted. Ein positives Gegenbeispiel sind alle Capcom-Spiele mit einschließlich Resident Evil 5 und Devil May Cry 4. Dort werden (fast) alle Zwischensequenzen direkt auf der Hardware berechnet.
Heavy Rain ist das neue Dragon’s Lair
Für mich ist Heavy Rain am Ende nichts weiter als ein Dragon’s Lair in der Neuzeit. Vorberechnete Sequenzen und eine bis auf das Ende lineare Handlung sind für mich kein Spiel. Spiele bilden ein interaktives Medium und sind nicht passiv wie Filme.
QTE-Sequenzen sind meiner Ansicht nach eine billige Art und Weise aus einem Film ein „Spiel“ zu machen. Dadurch wird man unnötig aus der Immersion gerissen. Dazu kommt noch, dass die Auflösung der Handlung am Ende eigentlich keinen Sinn ergibt, da es an einer bestimmten Stelle einen zeitlichen Logikfehler gibt.
Das Ende ist für einen Film zu langweilig
Die Auflösung an sich ist interessant genug um zu überraschen. Nur ist es nicht der Technikmeilenstein und schon gar keine innovative Bereicherung für das Adventures-Genre, wenn man einfach das Gameplay weglässt. Denn eine „gefühlte Kontrolle über das Geschehen am Bildschirm“ hatte ich beim erleben von Heavy Rain sicherlich nicht. Das liegt zu großen Teilen leider an der eigenartigen Steuerung, wenn man denn mal die Figuren für kurze Zeit von A nach B bewegen darf.
Das alles macht Heavy Rain natürlich nicht zu einem schlechten Erlebnis. Ich hatte besonders am Anfang viel Spaß mit dem Spiel. Aber wünscht sich jemand die interaktiven Laserdisc-Filme aus den 80ern zurück? Schlechter ist nur noch Beyond: Two Souls.
Wertung
Heavy Rain: Heavy Rain ist kein Spiel sondern ein interaktiver Film. Die Grafik ist zu großen Teilen als BluRay-Film abgelegt und die Quick Time Events sind nur langweilige Reaktionstests. – Marc
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