Ein in fünf Episoden aufgeteiltes Point’n’Click Adventure als Downloadspiel im ausgelutschten Zombie-Apokalypse Universum mit Cel-Shading-Grafik und der wohl schlimmsten Erfindung der Videospielbranche: Quick Time Events? Und dann ist es noch von Telltale Games und ist eine eingekaufte Marke. Das kann doch nichts werden! Doch, das kann es.
„Die Tür fliegt weit auf…“
Sie, die Zombies, haben unser Versteck gefunden! Oh nein, sie greifen Carley an! Wo ist Dough?! Sie brechen durch die Tür! Er schaft es nicht alleine! Dabei wollten wir doch nur ein paar Essensvorräte klauen. Und nun dieses Chaos. Wenn von beiden rette ich? Charley kann uns alle als Frau vor dem Aussterben bewahren. Aber Dough ist technisch begabt und so kurzfristig die bessere… Arghh! Die Zeit läuft. Auf zu Dough. Carley schreit. Ich kann ihr nicht mehr helfen. Sie ist tot! Dough schreit mich an, warum ich nicht sie gerettet habe, sondern ihn gerettet habe. Ich rechtfertige mich aber im Prinzip bin ich in Gedanken nur bei der Frage, ob ich wirklich das Richtige getan habe…
Man merkt es sofort: Das Spiel kein Action-Titel, bei dem es darum geht, möglichst viele Zombies zu töten, sondern viel mehr darum, wie man in einer solchen Ausnahmesituation die Überlebenden vor der eigentlichen Bedrohung schützt: dem Menschen selber.
Entscheidungen
Anders als bei den bisherigen Spielen von Telltale Games wie Tales of Monkey Island oder Sam and Max, geht es hier weniger um Point’n’Click Rätseleinlagen, sondern vor allem um Entscheidungen. Diese müssen ähnlich wie bei dem Spiel Heavy Rain unter Zeitdruck getroffen werden und sind final und nicht korrigierbar. Sie beschränken sich nicht nur auf Details, sondern haben massive Auswirkungen auf die Handlung und die Charaktere. Moralischen Zwickmühlen, bei denen jeder noch so hart gesottene Spieler sicherlich nicht sofort „A“ drücken wird, sind hier an der Tagesordnung. Glaubt mir, das geht wirklich weit über das hinaus, was in den meisten anderen Spielen von euch abverlangt wird.
Das Spiel überrascht auch mit sinnvollen Details. So ist der Rückblick auf die letzte Episode und die Vorschau auf die Nächste direkt in der Spiele Engine abgelegt. Das bedeutet, dass diese Sequenzen alle Entscheidungen von mir aufgegriffen haben und die Figuren noch am Leben sind, für die ich mich entschieden habe. Das ist im Prinzip eine Kleinigkeit aber hat bei mir dafür gesorgt, dass umso mehr in die Handlung gerissen wurde.
Dialoge und Figuren
Bei dem Spiel handelt es sich um dasselbe Setting wie die gleichnamigen Comics und die TV-Serie aber mit unterschiedlicher Handlung und Protagonisten. Ich habe schon des Öfteren gehört, dass das Spiel besser sein soll als die Serie aber selber gesehen habe ich sie noch nicht. Ich muss mich außerdem outen: Ich bin ein Dialoge-in-Spiele-Überspringer. Viel mache ich das bei Skyrim und Mass Effect weil diese dort wie so oft in Spielen pures Beiwerk sind und ich nachher durch den Quest im Menü trotzdem weiß, was man tun muss.
Bei The Walking Dead habe ich nicht ein einziges Mal auch nur den Wunsch verspürt, einen Dialog zu überspringen. Dafür gibt es zwei Gründe. Erster Grund: Sie sind wahnsinnig gut und realistisch beschrieben. So verhalten sich glaubhafte Charaktere. Der zweite Grund ist, dass sie schlicht spielentscheidend sind und sich die anderen Figuren unsere Antworten merken und uns so an unangenehmen stellen im Plot einer Lüge überführen können. Das alles führt dazu, dass ich immer wusste, was los ist. Die Einteilung in 5 Seasons à 3 Stunden für jeweils 400 Points (ca. 3,50 EUR) sorgte dann dafür, dass ich jede Season auch in einem Stück durchgespielt habe.
Es sieht schrecklich aus
Jedenfalls waren das meine Gedanken beim Spielen. Technisch reißt der Download Titel keine Arme äh… Bäume aus. Manchmal ruckelt es sogar oder entstehen Pausen, wenn die Szene gewechselt wird. Bei mir fehlte sogar einmal in einer Szene ein Kopf – und zwar nicht, weil er vorher durch eine Axt abgetrennt wurde, sondern weil wohl ein Bug aufgetreten ist. Aber im Gegensatz zu der realistischen Grafik von zum Beispiel Heavy Rain ist die Zombie-Apokalypse in einem Cel-Shading Look gehalten, in dem auch die Comics gezeichnet wurden. Durch diesen Umstand tritt das berüchtigte Uncanny Valley nicht auf und nach den ersten 10 Minuten war ich der Immersion des Spieles erlegen. Auch Bewegungen versuchen gar nicht realistisch zu sein, sondern sehen sehr nach Trickfilm aus.
Fazit
Ich habe mich allein schon wegen der Grafik lange gegen das Spiel gewehrt. Auch hier war wieder Herr Andreas Schneider schuld daran, dass ich meine Meinung ändern musste. Das Spiel ist sehr gut und funktioniert am besten, wenn man es in einer kleinen und konzentrierten Runde mit wechselndem Gamepad spielt. Dadurch reflektiert man seine Entscheidungen und diskutiert Vor- und Nachteile der getroffenen Entscheidungen. Durch den Wechsel aus schnellen und langsamen Sequenzen ist es nie langweilig und bleibt bis zum Abspann jeder Staffel spannend.
Ich bin nun in der Dritten von fünf geplanten Staffeln und ich werde die letzten beiden definitiv kaufen. Auch wenn wir alle wissen, dass Clementine irgendwann sterben muss. Das Spiel gibt es für so ziemlich alle Plattformen inkl. iOS, Android, Xbox Live, PSN und den PC. Ich persönlich habe es am liebsten dort gespielt, wo ich auch TV-Serien schaue: am Fernseher. Ein Tipp: Die erste Episode ist leider, leider erst am Ende so richtig gut.
Wertung
The Walking Dead: Die glaubhaften Dialoge und Figuren werden zusammen mit den – wirklich – harten Entscheidungen euch dazu bringen, sich im Sofa hin und her zu winden. Wer sich darauf einlässt, bekommt das beste klassische Storytelling eiskalt serviert, dass es bisher in einem Videospiel gab. – Marc
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