Seit kurzer Zeit nutze ich den Cloud-Gaming-Service von Google namens Stadia. Erwartet habe ich technische Probleme wie input lag und Kompressionsartefakte. Überrascht haben mich im Vergleich zur PlayStation 4 andere Aspekte, die ich so nicht erwartet habe.
Gespielt habe ich Stadia auf einem Chromecast Ultra über Netzwerkkabel und dem Stadia Wi-Fi Gamepad. Zum Ausprobieren habe ich es auf dem MacBook Pro im Chrome mit Maus und Tastatur gestartet. Aufgenommen habe ich das Vergleichsmaterial zwischen PlayStation und Chromecast mit einer neuen USB-C Video-Capture Karte. (kaufen)
1. Die vermeidliche Latenz stört nicht.
Stadia funktioniert wie ein interaktives Netflix. Die Gamepad-Eingaben werden an die Server von Google geschickt während die Spiele als Video nach Hause übertragen werden. Als ich das meiner Frau Esther erzählt habe, sagte sie sofort: „Merkt man da nicht eine Verzögerung?“. Daraufhin habe ich ihr das Gamepad überreicht und sie vom Gegenteil überzeugen können. Weder beim Jump’n’Run Monsterboy noch beim Shooter Destiny 2 mit Maus und Tastatur habe ich eine Verzögerung bemerkt.
Aus diesem Grund habe ich nach bewährter Methode das input lag (Eingabeverzögerung) gemessen und mit demselben Titel auf der PS4 Pro verglichen: Hitman 2. Das Spiel hat selbst auf der PS4 Pro fast 200ms Verzögerung von der Eingabe bis zum Ergebnis auf dem Bildschirm.
input lag | Spiel |
---|---|
~71 ms | Original Super Nintendo an CRT TV mit Super Mario World |
~83 ms | PS4 Pro Sonic Mania |
~229 ms | Stadia Hitman 2 |
~193 ms | PS4 Pro Hitman 2 (unlocked frame rate) |
Digital Foundry hat bei Red Dead Redemption 2 sogar bei Stadia eine geringere Latenz als bei der Xbox One X gemessen:
So, for example, I found that the time taken from pressing the trigger to the gun firing on-screen was a remarkable 355ms on PC at 60fps with triple-buffering enabled, up against 435ms on Xbox One X. In equivalent scenes in Stadia’s 1080p60 mode, the result is 385ms.
Alex Battaglia von Digital Foundry
2. Die Grafik von Stadia ist besser als die PS4 Pro. Aber …
Es war ein beeindruckender Moment, als Stadia zum ersten Mal in 4k mit HDR auf meinem großen Fernseher mit 60 Bildern pro Sekunde lief. Zudem konnte ich bei sehr schnellen Bewegungen keine Artefakte ausmachen. Dann die nächste Überraschung: Die Spiele sehen auf Stadia besser aus als ihr Äquivalent auf der PlayStation 4 Pro. Hitman 2 läuft mit 60 Bildern pro Sekunde. Red Dead Redemption 2 erreicht diese Bildwiederholrate allerdings nur, wenn ich Stadia auf 1080p stelle. Allerdings hatte uns Google über 10 Teraflop versprochen und somit eine bessere Grafik als auf der neuen PlayStation 5 (kaufen). Jedoch unterstützt Stadia bislang kein Raytracing oder andere Grafikeffekte, die ich auf der Höhe der neuen Konsolen sehen würde.
3. Spiele werden nur 20 Minuten pausiert.
Streaming hat den Vorteil, dass letztendlich nur ein Video abgespielt wird. Ich unterlag der Annahme, dass ich beim Beenden von Stadia genau an der Stelle weitermachen kann, an der ich aufgehört habe. In etwa wie der Ruhezustand der PlayStation 4 oder einem PC. Leider muss man auch auf Stadia seinen Spielstand laden und sich die Startbildschirme der Spiele ansehen. Stadia lädt im Spiel viel schneller als meine PlayStation 4 Pro. Jedoch wäre es hier technisch möglich, gar keine Ladezeiten beim Starten eines Spiels ertragen zu müssen. Die 20 Minuten Pause sind nur dazu da um die Geräte zu Wechsel. Zum Beispiel vom Fernseher auf den Laptop oder umgekehrt. Danach wird das Spiel beendet. Das bedeutet auch, dass es keinen Ruhezustand wie bei der PlayStation 4. Besonders für mich als Vater ist das ein Rückschritt. Wenn ein Spiel kein Speichern an einem bestimmten Punkt erlaubt, dann hat man bei Stadia ein Problem, wenn die Kinder gerade das Bett verwüsten.
4. Kein Streaming auf Twitch oder YouTube möglich.
Beim Spielen ist es nicht möglich innerhalb von Stadia sein Spiel live auf irgendeinen Streamingdienst zu übertragen. Nicht mal YouTube wird unterstützt. Es ist möglich 30 Sekunden seines Spiels in 1080p in verpixelter Qualität auf stadia.com zu speichern. Die PlayStation 4 Pro kann rückwirkend 60 Minuten aufnehmen.
5. Spiele auf Stadia sind teuer.
Auf Stadia kostet Red Dead Redemption 2 aus dem Jahr 2018 noch satte 59 EUR. Im PSN Store gab es den Titel schon mit Plus-Abo für 29 EUR während er bei Stadia gerade mal auf 40 EUR reduziert wurde. Das brandneue Marvel’s Avengers kostet 69 EUR. Leider gibt selten Rabattaktionen für diese AAA-Titel.
6. Stadia kostet monatlich nichts.
Spiele auf Stadia in 1080p zu spielen kostet nichts. Die Pro-Mitgliedschaft enthält ähnlich wie PS Plus einige Titel, die man gratis spielen kann. Zusätzlich kann dann in 4K HDR gestreamt werden. Spiele, die man auf Stadia gekauft hat, kostet ca. 10 bis 20 EUR mehr als ein Titel auf der PlayStation 4.
Abo | Monatliche Kosten |
---|---|
Basic in 1080p60 | 0 € |
Pro in 4k60 mit ausgewählten Titeln | 9,99 € |
7. Stadia ist lautlos.
Der Chromecast Ultra hat mit Stadia eine Lautstärke von 0 Dezibel. Das ist mir erst so richtig aufgefallen, als ich die PlayStation 4 wieder eingeschaltet habe. Gerade die PS4 Pro ist während der Berechnung von Spielen in 4k buchstäblich so laut wie ein Düsenjet.
8. Man kann Headsets mit dem Stadia Controller verbinden.
Der Stadia Controller verbindet sich nicht mit dem Chromecast Ultra, sondern direkt mit dem W-LAN. Wie Xbox und PlayStation Controller verfügt er über einen 3.5 Klinke Anschluss. Wenn daran ein Headset wie mein EPOS Sennheiser GSP 600 eingesteckt wird, ist der Ton am Chromecast automatisch auf stumm geschaltet. Die Verbindung über eine 5 GHz W-LAN Verbindung zum Controller hat immer tadellos funktioniert. Ich hatte keine einzigen Tonaussetzer. Selbstverständlich wird auch direkt das Mikrofon des Headsets genutzt und man kann In Onlinespielen Sprachchat nutzen.
9. Mobiles Spielen ist mit Stadia suboptimal.
Es ergibt für mich wenig Sinn Stadia auf dem Telefon spielen zu wollen. Die Spiele sind nicht für kleine Bildschirme optimiert. Das heißt, die ohnehin schon kleinen Texte sind nicht mehr lesbar. Zudem muss man ein Joypad an das Mobiltelefon montieren und hat nur eine W-LAN Verbindung. Schon auf dem MacBook Pro mit 5 Ghz W-LAN Verbindung wird die Qualität des Streams in allen Belangen deutlich schlechter.
10. Stadia ist eine Konsole.
Anders als GeForce Now, Shadow oder das neue Luna von Amazon ist basiert Stadia auf Linux mit festen APIs. Außerdem kommt die low-level OpenSource Vulkan Grafik API zum Einsatz. Die Entwickler müssen ihre Spiele also für Stadia umfangreich anpassen und portieren. Dafür verhalten sich alle Stadia-Instanzen aber auch identisch und passen sich nicht an. Im Gegensatz dazu basieren die anderen Streamingdienste auf Windows. Die Spiele wissen dort nicht, dass sie in der Cloud laufen. Damit ist Stadia völlig unabhängig von Microsoft und vom Prinzip her näher an einer PlayStation als zum Beispiel GeForce Now.
11. Spielstände können runtergeladen werden.
Über Google Takeout können die Spielstände der Spiele runtergeladen werden.
12. Stadia auf dem iPhone ist erstaunlich praktisch.
Wenn der Fernseher mitten im Spiel für gemeinsame Serien benutzt werden soll, kann man ohne Unterbrechung dort weiterspielen, wo man gerade pausiert hat.
13. Spielstände kann man von Stadia exportieren
Über Google Takeout kann man seine Spielstände zum Beispiel von Cyberpunk 2077 herunterladen. Dann kann man diese in Steam importieren und dort weiterspielen.
Google kann die negativen Aspekte alle heute noch ändern.
Damit Stadia ein Erfolg wird, muss es günstiger werden. Idealerweise wie der GamePass von Microsoft sollte es das Netflix der Spiele werden. Für 20 Euro im Monat sollte ich jedes Spiel so lange wie ich möchte spielen können. Auch Red Dead Redemption 2 und das neue Avengers. Natürlich sollte Streaming auf andere Dienste in einem Cloud-Service kein Problem mehr darstellen. Außerdem bitte Spiele genau an der Stelle pausiert lassen, an der ich es gestern verlassen habe. Und zwar für alle Titel unendlich lang. Zu guter Letzt möchte ich noch die versprochene Grafik mit den 10 Teraflops bewundern dürfen.
Mit diesen Änderungen könnte Stadia über Nacht großartig werden. Es funktioniert technisch auf dem Chromecast Ultra wie Magie. Auf dem Chrome im stabilen 5 GHz W-LAN war es allerdings dann vorbei mit dem Zauber. Trotzdem hat mich Google technisch voll überzeugt. Streaming von Spielen kann zukünftig einen festen Platz einnehmen.
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