Präsentationen zu halten, liebe ich. Jedoch hasse ich PowerPoint. Noch mehr verabscheue ich allerdings MS Word, dass ich seit Jahren erfolgreich boykottiere. Meiner Meinung nach lenken Word als auch PowerPoint lenken durch unnötige Komplexität vom Wesentlichen ab. Nun gibt es neben Keynote eine echte Alternative zu PowerPoint: den iA Presenter von den Information Architects.
Die iAs reduzieren auf das Wesentliche
Die Information Architects, oder kurz iA, bauen und gestalten in Zürich und Tokio unter der Leitung von Oliver Reichenstein benutzerfreundliche Software. Ich hatte 2009 bei ZEIT Online die Ehre, das Relaunchkonzept der iA zusammen mit meinen Kollegen umzusetzen. Dabei ging es damals vornehmlich um gute Lesbarkeit. Heute ist große Schrift ohne eine Seitenspalte im Web Standard. Aber damals war das eine kleine Revolution. Um ehrlich zu sein, habe ich erst durch die iA verstanden, dass Gestaltung auch immer einen echten Nutzen haben muss und nicht zum reinen Selbstzweck existiert.
Dementsprechend bin ich ein großer Freund von den Ideen der iA. Schon der iA Writer, eine App für ablenkungsfreies Schreiben, ist eine echte Produktivitätssteigerung im Alltag. Jetzt sorgen die iAs mit ihrem Presenter dafür, dass Präsentieren auf das Wesentliche reduziert wird.
Teleprompter statt Notizen
Die Idee ist einfach wie genial: Statt einzelne Folien mit Inhalten zu füllen und dazu dann Notizen zu schreiben, wird die Präsentation aus den Notizen generiert. Denn seien wir ehrlich: Wie oft hat man die meiste Zeit damit vergeudet, Folien in PowerPoint zu „gestalten“, um dann in dem klitzekleinen Feld Notizen drei Stichworte zu schreiben.
Die Präsentation wird damit aus meiner Sicht mehr zu einer Rede, bei der man zuerst an den Worten feilt. Nur was markiert wird, landet auf den Folien. Der Prozess wird umgekehrt: Zuerst kommt der Text und danach die Gestaltung. Und die läuft nachher größtenteils via Autopilot.
Ein simples Beispiel
Für die Strukturierung der Folien wird Markdown verwendet. Der Vorteil ist, dass man Elemente wie Überschriften mit Text statt einer UI als solche auszeichnet. Ein # vor einer Zeile macht sie zu einer Hauptüberschrift. Normaler Text nicht auf den Folien zu sehen und drei Striche — erzeugen eine neue Folie. Dazu musste ich nicht einmal meine Finger vom Keyboard zu Maus bewegen oder Shortcuts lernen. Das Beispiel hier wird im iA Presenter zu der danach automatisch der zu folgenden Folie.
# Mobility
#### Public Transport in 9 minutes
I am Marc and today I will tell you, why "Public Transport" is cool again. At least since we started to call it "Mobility". In this introduction I will tell you everything you need to know about the current state of Public Transport. But first of all, some facts...
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Mein Text wird mir dabei wie beim Karaoke im Hauptfenster angezeigt. Die Präsentation für die Zuschauer kann ich dann auf einen zweiten Monitor oder Projektor schieben.
Meine Erfahrungen nach einem 40 Minuten Vortrag
Ich durfte bei uns bei HaCon bei Siemens Mobility das Intro zu unseren Produkten und Vertrieb von HAFAS halten. Natürlich auf Englisch und natürlich im Home-Office. Der Vortrag richtet sich an alle im Unternehmen, die erst seit Kurzem dabei sind und nur die Spitze des Eisbergs kennen: unsere Apps. Obwohl es bei uns gerade zu dem Thema Produkte schon ohne Ende PPTX-Vorlagen gibt, habe ich die Werbetrommel für einen Testballon mit iA Presenter gerührt und die Idee auch durchgebracht. Ich hatte den Vortrag vor zwei Jahren schon mal gehalten. Allerdings auf Deutsch und mit PowerPoint. Somit hatte ich also den direkten Vergleich. Meine Erfahrungen beziehen sich auf die Beta 0.9.1 des iA Presenters.
Änderungen sind schneller durchführbar
Natürlich habe ich mit einer groben Struktur angefangen. Schließlich muss ich die Inhalte auch mit ein paar Leuten absprechen. Weil aber die Datenhaltung fast ausschließlich mit Text erfolgte, konnte ich schneller meine Ideen umsetzen. Ich würde sogar so weit gehen und die Herausforderung annehmen, in 30 Minuten eine Präsentation zu einem beliebigen Thema zu halten. So schnell ist man damit.
Mehr Spaß und Sicherheit durch Karaoke
Normalerweise werde auch ich vor großen Präsentationen vor vielen Menschen nervös. Besonders, wenn es nicht auf Deutsch ist. Damals hatte ich mit PowerPoint nur wenige Stichworte auf dem Rednerbildschirm im Präsentationsmodus. Nur das Weiterschalten von Folien hat mir dann die nächsten Notizen angezeigt. Somit bin ich immer nervöse geworden, je näher der Termin kam. Hier war es wirklich umgekehrt. Ich habe schnell gemerkt, dass es mit dem Presenter nur funktioniert, wenn der gesamte Text dort ausformuliert später auf dem Teleprompter erscheint. Wie bei einem Lieblingssong, kennt man die Sätze natürlich, aber man ist froh den ganzen Satz einmal hervorgehoben, mit dem richtigen Timing zu sehen. Am Ende war es dann wie ein Theaterstück, was ich vorgeführt habe. Und das hat wirklich Spaß gemacht!
Mehr zusammenhängende Story statt zerhackte Slides
Die besten Präsentationen habe ich mit Folien ohne Text gehalten. Meistens hatte ich auch selbst etwas erlebt und habe dann meistens kurze Videos als Schleife produziert und davor dann live gesprochen. Je mehr Präsentationen ich in meinem Leben gehört und gegeben habe, desto lieber sind sie mir, wenn sie etwas Persönliches in sich tragen. In diesem Fall war die Herausforderung, dass ich ein recht trockenes Thema hatte. Deswegen habe gleich eine fiktive Rahmenhandlung entwickelt und zwei kleine persönliche Anekdoten integriert. Diese Geschichte musste ich durch die Funktionsweise vom iA Presenter auch vollständig ausformulieren und konnte nach einem Testlauf auch einfacher Dinge herauswerfen und ergänzen. Somit habe ich keine Bildergalerie frei kommentiert, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Geschichte erzählt.
Nicht zu lange labern
Super ist auch, dass durch die Textbasis die Zeitangabe im Presenter ziemlich genau ist. Ich habe schon während der Erstellung gemerkt, dass ich über die angepeilten 20 Minuten komme und doch länger benötigen werde.
Nicht mit Bildern ablenken
Dass man nicht mit Textwüsten oder Aufzählungen langweilt, ist klar. Was ich allerdings gerne auch falsch mache, sind Bilder zu zeigen, die am Ende das wiedergeben, was ich sage. Dank der wirklich guten Beispielpräsentation des iA Presenters habe ich gelernt, dass ich auch mal auf meine Stimme und das gesagte Vertrauen muss.
Mehr Nachhaltigkeit durch das Skript
Ein irrer Vorteil ist, dass die Präsentation mit dem geschriebenen und ausformulierten Text nun jeder halten könnte. Letztlich muss sie oder er es nur vorlesen.
Nicht zu viel über die Gestaltung nachdenken
Eine weitere Funktion sind die automatischen Stile der Präsentationen. Durch die Datenhaltung im Markdown Code passen die Designs nicht nur ein paar Farben an, sondern krempeln den stilistischen Charakter um. Ich habe mich am Ende aber für den Standardstil „San Fransisco“ entschieden. Die grellen Farben passten perfekt. Auch die Idee, mit blauen Tönen zu starten und dann in goldenen Farbnuancen den Beitrag zu beenden, hat der Presenter automatisch umgesetzt. Am besten ist es, man macht sich nur über die Geschichte und ganz am Ende erst über das Visuelle, Gedanken macht.
Kurze Videos in Dauerschleife funktionieren auch hier
Tatsächlich habe ich auch wieder kurze Videos in Dauerschleife benutzt. Beispiel aus dem Vortrag:
### I Want It That Way
/assets/Backstreet-Boys-s.mp4
| background: true
Ich bin wirklich begeistert, wie man mit den vorhandenen Möglichkeiten tolle Ergebnisse erzielt.
Der Support hat mir sehr geholfen
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es wichtiger ist, dass der First-Level-Support das Problem selbst nachvollziehen kann, als dass es sofort eine Lösung gibt. Hier kam aber beides zusammen: Mir wurde bei Missverständnissen schnell geholfen, wie ich das Tool zu bedienen habe und Fehler wie die kaputte Fußnotenfunktion wurde nur drei Tage später in einer neuen Version gelöst. Zudem lief selbst die Beta äußerst stabil. Es gab keine Abstürze oder Hänger.
Die rote Pille
Ich kann nicht mehr zurück in die PowerPoint-Matrix. Selbst wenn ich meinen nächsten Vortrag nicht mit dem iA Presenter durchführen könnte, so habe ich viel gelernt. Die Geschichte und die Inhalte steht im Vordergrund. Alles andere ist letztlich egal. Man kann sicherlich einige der Konzepte vom iA Presenter mit anderen Tools umsetzen. Es gibt auch JavaScript Lösungen wie Presenta Lib oder Reveal.js, die vergleichbare Ideen haben. Allerdings nicht als robustes Programm für macOS und nicht mit dem Ansatz der responsiven Medienausgabe mit Fokus auf Typografie. Ich bleibe dem iA Presenter treu – sofern das in einem Großkonzern mit Fokus auf Windows und PowerPoint möglich ist. Toll wäre noch eine Integration des LanguageTools in den iA Writer und Presenter.
iA Presenter ist für macOS verfügbar für 79 EUR.
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