Grand Theft Auto V sorgt mit einem ausgeflippten Gangstertrio in der bislang detailliertesten virtuellen Welt für die Krönung des digitalen Zeitvertreibs – zumindest auf der Xbox 360 und PlayStation 3. Wieder mal vollgepackt mit Parodien und Gigantismus ist endlich der ideologische Nachfolger zu GTA: San Andreas erschienen. Man merkt sofort, dass sich die jahrelange Arbeit an dem Spiel ausgezahlt hat.
Zaster, Zocker, Zuckerpuppen
Die Handlung ist bei GTA zwar immer interessant und lustig aber selten spannend gewesen. Durch die fehlende Linearität eines Final Fantasy oder Bioshock Teils erlebt immer nur kurze Episoden aus dem Leben der drei Protagonisten. Und die könnten nicht unterschiedlicher sein.
Michael, der sich aus dem Gansterleben schon längst zurückgezogen hat, lebt mit seiner verwöhnten Frau und zwei missratenen Kindern im besten Viertel von Los Santos. Das Geld für den großzügigen Lebensstil kommt natürlich aus seiner zwielichtigen Vergangenheit. Seine Mid-Life-Crisis ist ein wunderbares Spiegelbild für die Generation die alles will und irgendwann auch alles bekommen hat und dabei trotzdem nicht glücklich ist. Wobei man sagen muss, dass er selbst in der Familie noch die Person mit der meisten Integrität ist.
Franklin ist ein kleiner Autodieb aus dem Ghetto der Vorstadt. Er liebt die einfachen Dinge im Leben wie Hunde und schnelle Autos und hat noch starke Wurzeln „in the hood“, die ihn immer wieder einholen obwohl er sich langsam aber sicher versucht hochzuarbeiten.
Trevor wird wohl in die Geschichte eingehen, als der krasseste Protagonist in einem Videospiel. Er mag Sex mit Frauen, Männern und Tieren und kennt auch sonst keine Grenzen in irgendeiner Form. Er pendelt zwischen Gruppenkuscheln, Schreien nach Liebe und extremer Gewalt und überrascht zu jeder Zeit mit unglaublichen Verhaltensstörungen. Er ist Quasi Murdock in einer koreanischen und nicht jugendfreien Version des A-Team.
„… or I’m gonna cut your arm off!“
Das Trio ist in jeder Hinsicht immer gut für abgefahrene Szenen zwischen den Storytwists. Während Nico Belic normale Verbrechen hat sind die Aufgaben hier eher auf dem Niveau von The Ballad of Gay Tony und finden nicht selten in der Luft statt und/oder involvieren Züge, Tanklaster oder U-Boote. Da man nun zu dritt ist, kann man jederzeit (!) zwischen den drei Protagonisten wechseln. Das sorgt nicht nur für mehr Abwechslung sondern löst auch viele Probleme der Vorgänger.
Nach den Missionen musste man in der Regel aufwendig und zur Not per Taxi zurück zu seiner Wohnung oder zur nächsten Storyepisode fahren. Nun wechselt man einfach die Figur und springt wie bei „Zurück in die Vergangenheit“ in die Person rein und übernimmt die Kontrolle. Das sorgt gerade bei Trevor für ungeahnte Situationen. Mal ist er in eine Schießerei verstrickt oder wacht in Frauenkleidern auf einem Berg auf.
Die Seele von Grand Theft Auto 5
Das sind zweifelsfrei die grandiosen Sprecher Steven Ogg (Trevor), Shawn Fonteno (Franklin) und Ned Luke (Michael). Die sehen ihren virtuellen Gegenparts außerdem verblüffend ähnlich. Den grandiosen Sprechern hat das Spiel einen großen Teil der Atmosphäre zu verdanken. Gerade Trevor wäre ohne seinen talentierten Sprecher nicht ansatzweise so witzig und lebendig. Mein Lieblingscharakter ist aber definitiv Michael. Von allen Protagonisten hat er die für mich nachvollziehbarsten Probleme – und Lösungen parat.
„GTA, pretty much the same as the last game.“
In diesem Punkt liegt die Ingame-Radiomoderatorin ziemlich weit daneben. Das Spielprinzip hat sich seit Teil drei vor allem in so fern geändert, dass man nun auch mitten in den Missionen die man zu dritt macht, zwischen den Personen strategisch wechseln kann und auch öfters muss. Wenn man als Franklin in die Enge getrieben wurde, dann kann sich die erhöhte Sniperposition von Trevor als Vorteil erweisen. Oder warum nicht gleich auf Michael wechseln der im Helicopter über dem Geschehen schwebt.
Was ich persönlich leider nicht so gut gelungen finde ist der deutlich niedrigere Schwierigkeitsgrad der Missionen. Das ist vor allem ein Resultat aus den großzügig verteilten Rücksetzpunkten innerhalb der Missionen. Zu keinem Zeitpunkt erreicht das Spiel dadurch die Spannung eines Grand Theft Auto 4 wenn man zum fünften Mal hinter einem Auto Deckung sucht und sich überlegt, wie man mit den letzten paar Kugeln Munition diesmal überlebt ohne schon wieder 10 Minuten zum Einsatzort hinzufahren (oder per Taxi abzukürzen).
Eine weitere Ergänzung zum herkömmlichen Gameplay sind die großen Raubüberfälle, die man zusammen im Team absolvieren muss. Die Teammitglieder bestehen neben dem Trio aus wählbaren Charakteren für Jobs wie Fluchtfahrer, Schützen oder Hacker. Entweder greift man hier auf die persönlichen Kontakte der Protagonisten zurück oder man hatte Schwein und ist während des Spiels durch Zufallsmissionen Leuten wie einer ehemaligen Stuntfahrerin begegnet. So ist es mir passiert, dass ich sie getroffen und sogleich für den aktuellen Coup aufgestellt habe. Sie wollte zudem nur einen kleinen Teil der Beute als Entlohnung. Da sie die Aufgabe als Fluchtwagenfahrerin hatte, stand sie plötzlich in einem Krankenwagen am Ausgang des Gebäudes und konnte und so ohne Verfolgungsjagd mit der Polizei sicher nach Hause bringen. Das war wirklich ein echter WOW-Moment weil in diesem Momenten klar wird, was die Entwickler alles für Eventualitäten bedacht haben müssen.
GTA: San Andreas II
Das Spiel ist in vielerlei Hinsicht eine HD und Deluxe-Fassung von GTA: San Andreas. Das merkt man auch am Levelsystem der Charaktere. Egal ob man Tauchen, Autofahren oder Schießen will: Am Anfang ist alles ungeskillt und wartet darauf, von dem Spieler hochgelevelt zu werden. Das gleich gilt für die Autos, die man umfangreich im Stil von „Pimp my Ride“ tunen kann. Dadurch ähnelt Grand Theft Auto 5 mehr einem Action-Rollenspiel als einem reinen Actionadventure – was ich persönlich als Offenbarung empfinde. Ich weiß noch genau, als ich damals in San Andreas zum ersten Mal den Düsenjet bekommen habe und mich neben der Wüste in Las Venturas abwerfen lassen um dem Weg zur Mission abzukürzen. Solche Momente sind endlich wieder da.
Die Welt von GTA5: Los Santos
Was definitiv ebenfalls von den Abenteuern von Carl Johnson, dem Protagonisten aus GTA: San Andreas, inspiriert worden ist, stellt die schiere Größe der Welt dar. Die Karte ist größer als alle Rockstartitel inklusive dem genialen Red Dead Redemption zusammen. Trotz der skurrilen Situationen wirkt die Welt um die Story herum immer glaubhaft. Das liegt an dem absurd hohen Detailgrad und dem Umstand, dass alles und jeder einen realistischen Tagesrhythmus besitzt. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, jemals so einen schönen Himmel in einem Spiel gesehen zu haben.
http://www.youtube.com/watch?v=197Li1LJ6kI
Das fängt bei den realistischen Farbwechseln an, geht über die vorbeiziehenden Wolken und hört auf, wenn man im Helicopter merkt, dass man gerade aus versehen ein paar Vögel im Rotor zerstückelt hat. Auch nicht nur der Himmel sondern die Erde selbst ist beeindruckender als die offenen Welten von Skyrim oder Need for Speed: Most Wanted zusammen. Wenn man im Hintergrund einen Berg sieht, an dem gerade eine Seilbahn nach oben fährt, dann kann man nicht nur die Seilbahn benutzen sondern auch mit dem Auto minutenlang die Serpentinen hochfahren um dann oben auf Touristen zu treffen, die gerade Fotos von sich und der Umgebung machen. Wenn man sich dann die mit Nadelbäumen besetzten Berge ansieht frage ich mich was die Jungs von Remedy bei Alan Wake die ganze Zeit so getrieben haben.
Die riesige Stadt selbst zeigt nicht den Hauch von copy & paste sondern beeindruckt mit detaillierten Gebäuden und glaubhaftem Verkehr. Selbst der Meeresboden und seine Bewohner ist abwechslungsreicher als die Oberwelt von Zelda – Twilight Princess. Generell haben die verschiedenen Wasseroberflächen von ruhigem Poolwasser bis Wellen auf hoher See einen eigenen Grafikaward verdient. Und wenn man sich vom Wasser satt gesehen hat, dann geht man eben ins Kino, Theater oder guckt sich stundenlang eigens fürs Spiel produzierte Serien auf den virtuellen Fernsehern an – oder guckt dem Sohn von Michael beim Xbox Spielen zu.
Die Moral bleibt auf der Strecke
Nutten, Koks und Gewalt. Das sind Dinge, die man mit Grand Theft Auto verbindet. In den vorherigen Teilen waren hingegen Drogen und Gewalt nie erzwungen sondern mussten vom Spieler aktiv gewollt werden. Dazu gesellten sich bei Teil 4 neben den Nutten noch starke Frauenrollen wie die mächtige Drogen-Baroness Elizabetta Torres oder Michelle, die später eine wichtige Rolle in der Story von GTA 4 spielt. Drogen wurden von den Protagonisten in GTA: San Andreas und GTA 4 trotz des permanenten Umgangs damit innerhalb der Story immer strikt abgelehnt. Genau wie direkte Gewalteinwirkung wurde vom Spieler nie erzwungen sondern konnte auch abgelehnt werden in dem man einfach gar nichts tut. Die Mission war dann zwar nicht erfüllt aber zumindest gab es diese Option.
All diese Maximen gelten für Franklin, Michael und Trevor nicht mehr. Drogen und Gewalt tauchen in den Zwischensequenzen als auch unausweichlich innerhalb der Missionen auf. Insbesondere die aktive Folterszene ist schockierend umgesetzt weil man als Spieler keine Wahl hat den Konflikt anders zu lösen. Und selbst der größte Macho merkt schnell, dass Frauen in Los Santos auf dem selben Level wie Chop, der Tamagochi-Hund stehen. Es gibt keine Frau im gesamten Spiel, die nicht auf Drogen, Prostituierte oder später durch eigene Dummheit ein Leichnam ist, vorgestellt.
Auge aufs Detail
Für mich technisch noch beeindruckender als die Grafik sind die Animationen und Physik. Für jede Kleinigkeiten hat das Spiel eigene Animationen und Effekte parat. Flip-Flops verhalten sich realistisch beim Gehen und Wasser macht den Protagonisten nur bis dahin nass, wo er auch ins Wasser gegangen ist. Einmal bin ich auf einen Berg mit dem Mountain Bike gefahren und fand oben ein kleines Bistro mit einer Kugel aus Metall auf dem Dach. Nach einem gut gezielten Wurf mit einer Granate löste sich die Kugel und rollte ins Tal und sorgte unten angekommen auf dem Highway einen Massenunfall mit Leuten, die wütend ihre Autos verließen.
Die von Rockstar* eingesetzte Euphoria Engine macht ihrem Namen alle Ehre und sorgt wirklich für dynamische und fließende Animationen ohne sichtbare Übergänge. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, fühlte ich mich sofort an das erste Mal erinnert, als ich Assassin’s Creed in Bewegung erleben durfte. Danach fühlten sich damals auch andere Videospiele an wie eine Schülerzeitung im Vergleich zu DIE ZEIT.
Man kann neben normalen Tätigkeiten wie Tennis, Golf und Fallschirmspringen auch völlig abgedrehte Dinge wie Aliens innerhalb von einem Drogentrip abzuballern oder auch Hipsterangriffe abzuwehren. Ich habe selber nur ein paar davon bislang entdeckt. Dazu gesellen sich hunderte verschiedene Details, von denen ein normaler Spieler wahrscheinlich nicht mal einen Bruchteil mitbekommen wird. Nebencharaketere kommentieren die Frisur von Franklin wenn er beim Friseur war. Eine Ladenbesitzer hatte sich danach erkundigt, wie das Vorstellungsgespräch bei Live Invaders gelaufen ist. Überhaupt ist der Facebook Klon Live Invader immer hoch aktuell und aktualisiert sich der Story entsprechend. Generell reagieren alle Figuren mit zahlreichen Dialogen und Aktionen auf so ziemlich alles was man macht. So etwas gab es bis jetzt noch nicht in einem Videospiel zu sehen.
Reich durch die Börse
Das i-Tüpfelchen ist das noch die Börse im Spiel. Es gibt eine Offline-Börse die sich nur durch Dinge im Spiel beeinflussen lässt und die Online-Börse, die für alle Spieler online gleich ist. Alleine damit habe ich Stunden verbracht um mein kleines Vermögen so zu maximieren, dass ich mir gleich drei komplette Golfplätze kaufen könnte. Und damit nicht genug: Bestimme Figuren geben im Spiel bei Nebenmissionen Kommentare zu Börsenkuren, die sich durch das Spielgeschehen beeinflussen. Wenn man den CTO von Life Invader (Facebook Parodie) umbringt, dann fallen natürlich die Kurse aber erholen sich ggf. später wieder usw.
Emotionaler Freiheitstrip
Mal ganz vom eigentlichen Spiel, der riesigen Welt, Story und tollen Charakteren abgesehen ist Grand Theft Auto seit Teil 3 für mich schon immer mein ganz eigener persönlicher Freiheitstrip gewesen. Das liegt vor allem an dem genialen Soundtrack durch die zahlreichen Radiostationen im Spiel und die Phasen im Spiel, wo man einfach mal zwischen den Missionen die Welt erkundet. Das macht für mich einen großen Teil des Spielspaßes aus. Mit emotionalen Momenten meine ich nicht, die Welt um mich herum meterhoch in das Blut von unschuldigen Passanten zu tauchen sondern einfach mal mit dem Mountain Bike einen Ausflug auf einen höchsten Berg zu machen und die Aussicht zu genießen. Oder mal mit dem U-Boot auf dem Meeresgrund Ufos zu suchen. Oder im Doppeldecker über die Insel zu fliegen um mich dann Fallschirm zur Erde zu gleiten zu lassen.
GTA Online
Ich hatte persönlich auf ein MMOGTA im Stil von World of Warcraft gehofft, als ich den Trailer von GTA Online zum ersten Mal gesehen hatte. Letztendlich spielen aber nur 16 Spieler gleichzeitig in einer Instanz von Los Santos und dürfen mit- oder gegeneinander mehr oder weniger interessante Missionen absolvieren. Mal abgesehen von den technischen Startschwierigkeiten ist Onlineaspekt sehr gut in das Spiel eingebettet.
Man spielt einen Kumpel von Franklin, der am Flughafen abgeholt und gleich in die illegale Unterwelt von Los Santos eingeführt wird. Ab diesem Zeitpunkt kann man dann die gesamte Karte befahren und im Team oder alleine Aufträge erledigen um virtuelles Geld zu erwirtschaften. Viel mehr habe ich bis zum heutigen Tag auch noch nicht gemacht weil mich die Hauptstory des Spiels doch mehr beschäftigt hat. Wenn es sich als der Überknaller entpuppt wird es hier auf MarcTV noch einen detaillierteren Artikel dazu geben.
Immer noch nicht genug?
Wer nach dem umfangreichen Hauptspiel, den Nebenmission und dem Multiplayer noch nicht genug bekommen konnte, dem empfehle ich das Grand Theft Auto IV Add-on The Ballad of Gay Tony. Der erhöhte Schwierigkeitsgrad und das realistische Setting wurden hier durch eine völlig durchgeknallte Story mit Panzern, Fallschirmen und Bloggern eingetauscht. Im Prinzip war dieser DLC wohl eine Art Übungsaufgabe für den fünften Teil. Alleine wegen der ähnlich durchgeknallten Charakteren und den abwechslungsreichen sollte man Spiel gespielt haben. Das Add-on gibt es als eigenständiges Spiel zusammen mit The Lost and the Damned, das ebenfalls gut gelungen ist, für wenig Geld zu kaufen. Auch der fantastische Soundtrack stellten für mich einen Kaufgrund dar und motiviert die ca. 8 Stunden bis zum Abspann noch mal zusätzlich.
Fazit: Die PlayStation 4 kann warten
Das Spiel macht einfach Spaß. Ob man nur zuguckt, selber spielt, der Storyline folgt, Nebenmissionen erledigt, nur durch die Gegend wandert oder den ganzen Tag an der Börse spekuliert. Grand Theft Auto 5 ist nah an meiner persönlichen Vorstellung von dem idealen Videospiel. Jetzt geht es ab in das mitgelieferte GTA Online und das Warten auf den Downloadable Content beginnt. Die PlayStation 4 kann noch warten.
Wertung
Grand Theft Auto V: Das Spiel ist ein (technisches) Meisterwerk an Entwicklerkunst. Die Welt mit allen Möglichkeiten und Details wird über lange Zeit der Maßstab für alle (Nicht-)OpenWorld Spiele sein. Das Spieler macht Spaß bis zur letzten Minute und mit GTA Online haben sie quasi auch den besten Multiplayer auf den Konsolen erschaffen. Das muss man (durch-)gespielt haben! – Marc
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