Was kommt dabei heraus, wenn sich Alex Garland (The Beach, 28 days later) und Edel-Spielentwickler Ninja Theory (Heavenly Sword/PS3) mit dem Schauspieler Andy Serkis (Gollum aus Lord of the Rings) zusammen tun, um ein Videospiel zu entwickeln?
Chinesischer Roman als Vorlage
Enslaved – Odyssey to the West (Xbox360, PlayStation 3) heißt das gemeinsame Produkt der drei Parteien und stellt zumindest aus ästhetischer Sicht ein kleines Meisterwerk dar. Der Plot basiert ganz grob auf dem chinesischen Roman „Die Reise nach Westen“ aus dem 16. Jahrhundert und wurde schon öfters als Oper, TV-Serie oder als Film neu interpretiert.
… für Dragonball?!
Wer bei dem Bild an eine Realverfilmung der bekannten Mangaserie „Dragonball“ denkt liegt gar nicht so falsch. Denn auch die basiert in Ansätzen auf eben diesem Roman. Und auch wenn es auf dem oberen Filmstill nicht so aussieht: Die Story und die Charaktere waren meine Hauptmotivation, das Spiel durchzuspielen.
Trip to Paradise
„Trip“ als weiblicher Hauptcharakter setzt sich mit ihrem glaubhaften Mix aus Verletzbarkeit und Courage angenehm von den Femmes fatales der Videospielewelt angenehm ab. Dieser Artikel lässt im übrigen bewusst viele Einzelheiten der Story und Spielelemente außen vor denn diese zu entdecken und zum ersten Mal mit eigenen Augen zu sehen und auszuprobieren macht einen großen Teil des Spielspaßes aus.
“What is all this stuff?” – “Just some ancient, redundant technology.” Dann folgt ein Kameraschwenk über alte Verpackungen von 3D Fernsehern.
Selten haben virtuelle Spielfiguren in einem Videospiel so glaubhaft gewirkt wie bei Enslaved. Es macht einfach Spaß mit anzusehen, wie sich die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren entwickelt und sie gleichzeitig verändert. Die Geschichte ist somit zum ersten Mal nicht nur eine Kulisse für ein Videospiel sondern sie ist wirklich ein Teil davon. Somit besteht Enslaved aus drei Elementen: Der Story, der Action und den ruhigen Kletterpassagen. Tatsächlich hat mich dieser Aufbau an entfernt an das brillante ICO von den Machern von Shadow of the Colossus und die neuen Auflagen von Prince of Persia erinnert.
Optisches Feuerwerk
Gleich zu Anfang des Spiel fällt der Detailreichtum bei der Darstellung von Gesichtsanimationen in der Unreal 3-Spielengine auf. Die Mimik von Andy Serkis spiegelt sich dabei deutlich im virtuellen Gesicht des Protagonisten wider. Gleich zu Anfang des Spiels wird mit dieser Technik eindrucksvoll erklärt, warum er sich überhaupt so „selbstlos“ um die weibliche Hauptperson kümmert.
Die Action
Die Kämpf fühlen sich dabei an, als ob man dem Kampfstil von Kilik aus Soul Calibur ein eigenes Spiel widmen wollte – was man als durchaus positiv betrachten kann. Ein System aus Blocken, Schlagen und stärken aufladbaren Attacken lassen die Kämpfe besonders auf den höheren Schwierigkeitsgraden nicht langweilig erscheinen. Monkeys Stab kann auch als Fernwaffe genutzt werden und sorgt für eine zusätzliche Taktikkomponente.
Besonders die Auseinandersetzungen mit größeren Widersachern sind sehr gut inszeniert und bieten eine ganz eigene Dynamik so wie man es in Ansätzen von den aktuellen Episoden von Zelda her kennt. Bei manchen Gegner muss man dann zuerst per gezielten Schüssen Körperteile abschießen damit sich der Gegner kurz erholen muss um dann mit dem aufladbaren Schlag richtig viel Schaden anrichten zu können. Ich habe mich über jeden Boss im Spiel gefreut und gleich nach dem Durchspielen noch mal auf „Hard“ angefangen.
Die ruhigen Passagen
Die Kletterpassagen mit kleinen Rätseln sind ein schöner Kontrast zu den meist hektischen Kämpfen und setzen die einfallsreiche Spielwelt gekonnt in Szene. Dann bleibt auch Zeit die Charaktere fern ab der Zwischensequenzen weiter zu entwickeln in dem der Spieler ihren meist sehr unterhaltsamen Dialogen lauschen darf. Zu Anfang hatte ich das Gefühl, dass die Kletterpassagen zu einfach sind.
Man muss im Prinzip nur in die Richtung drücken und dabei springen und schon vollführt die affenähnliche Hauptperson die wahnwitzigsten Sprünge bei denen Altaïr und Ezio von Assassins Creed nur neidisch weggucken können. Aber da das Augenmerk später im Spiel auf das richtige Timing und die Rätsel abzielt, ist dies in meinen Augen eine gute Designentscheidung weil diese Sequenzen sonst schlicht zu frustrierend gewesen wären. Manchmal passiert auch einfach für mehrere Augenblicke gar nichts und man wandert einfach durch die wunderschöne Spielewelt und fühlt sich fast wie ein Tourist auf Entdeckungstour. Eine musikalisch und gestalterische Höchstleitung ist in meinen Augen diese Szene bei der Windfarm:
Mehr als die Summe der Einzelteile
Auch wenn die Geschichte bis zum packenden Höhepunkt leider etwas abbaut, hat das erste Drittel durch die Dialoge des ungleichen Paares mit des öfteren ein lautes Lachen vor dem Fernseher entlockt. Der Humor in diesem Spiel ist so intelligent verpackt wie es zuvor noch nie ein Videospiel geschafft hat. Solche Momente hat das Spiel aber auf der anderen Seite nötig, denn ähnlich wie bei Alan Wake ist die eigentliche Spielmechanik der schwächste Teil des Spiels. Aber Enslaved ist für mich mehr als die Summe seiner Einzelteile.
Wenn man die Verpackung des Gebotenen weg streicht, dann bleibt ein durchschnittliches Actionspiel übrig. Wer aber wie ich die auditive und visuelle Ästhetik einer glaubwürdigen und originellen Spielwelt zu schätzen weiß und mal wieder für 10 Stunden in ein lineares Abenteuer voller Action eintauchen will, für den ist Enslaved – Odyssey to the West genau das richtige. Für mich zählt es auf jeden Fall neben dem oft unterschätzen Alan Wake zu den Geheimtipps des Jahres 2010.
Woher kommen die schönen Bilder?
Alle Screenshots stammen direkt aus dem Spiel und kommen von der genialen Seite deadendthrills.com. Die HD-Videos wurden mit meiner HD PVR während meiner Spielsessions aufgenommen. Und noch ein Hinweis zur PlayStation 3 Version des Spiels: Aktuell verfügt diese über den optischen Ausgang nicht über 5.1 Surroundsound, sondern gibt nur Stereo aus und die Performance ist deutlich schlechter in Form von Tearing und Rucklern.
Wertung
Enslaved: Odyssey to the West: Wenn ein Spiel den Preis für die interessantesten Protagonisten in einem Actionspiel bekommen müsste, dann wäre Enslaved sicherlich ein heißer Anwärter darauf. Ein wunderschöner Actionkracher, der bis zum Schluss motiviert. – Marc
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