It Takes Two – Im Koop-Modus durch die Paartherapie

Endlich haben wir zusammen den Koop-only Titel It Takes Two durchgespielt. Mit „wir“ meine ich natürlich meine bessere Hälfte, wenn es um Coop-Titel geht: Mo. Da das Spiel 2021 zum offiziellen Game of the Year gewählt wurde, habe ich mir einiges davon versprochen.

Genre-Mix wird zur Eheberatung

Das Spiel folgt der Geschichte eines Ehepaares namens Cody und May, die in Puppen verwandelt wurden und sich auf eine Reise begeben, um ihre Beziehung zu reparieren und wieder in ihre menschlichen Körper zurückzukehren. Ein Ehepaar, das in Puppen verwandelt wird und ihre Beziehung in einer verrückten Welt reparieren muss? Hört sich ja fast so an wie der letzte Besuch bei unserem Paartherapeuten… aber mit Gameplay! Das ist wie ein Mixtape aus verschiedenen Genres: mal Puzzle, mal Action-Adventure, Shooter, mal Jump’n’Run oder Kampfspiel wie Street Fighter oder ein Diablo-Klon.

„Welche von unseren Ideen nehmen wir mit ins finale Spiel auf?“

Antwort: „Ja.“

Fiktive Unterhaltung bei Hazelight Studios während der Entwicklung von „It Takes Two“

Zwei Spieler Koop-Modus ist Pflicht

Das Beste an „It Takes Two“ ist definitiv der Koop-Modus für zwei Spieler. Ohne einen weiteren echten Spieler das Spiel nicht gestartet werden. Der Bildschirm wird dabei die meiste Zeit in der Mitte geteilt. So sieht der Koop-Partner immer, was man gerade tut und umgekehrt. Das ist auch online über Xbox Live so, weil viele Aktionen abgestimmtes Timing erfordern. Dabei haben wir in der gesamten Spielzeit kein Lag oder sonstige technische Probleme festgestellt. Das Spiel reagiert zackig und fühlt sich bei der Steuerung wie ein gutes Spiel von Nintendo an. Übrigens muss nur ein Spieler das Spiel gekauft haben. Der andere lädt sich die Testversion herunter.

Witzige Inszenierung dank der Synchronsprecher

Während des Spiels und natürlich auch in den kurzweiligen Zwischensequenzen kommt der Star des Spiels zum Vorschein: Das „Book of Love“ aka. Dr. Hakim und allgemein alle Synchronsprecher aus dem Spiel. Ich gehe davon aus, dass sie die Unterhaltungen größtenteils als Impro aufgenommen und dann ins Spiel eingebaut haben. Zumindest im Englischen sind die witzig und sympathisch gemacht. Vor allem, wenn das „Book of Love“ reinkommt und das genervte Paar immer wieder mit „Co-laboration!

Fun Fact: Cody und Dr. Hakim teilen sich im Englischen denselben Sprecher.

Unreal Engine: Gegensätze ziehen sich an

Das Spiel bietet geniale Aufgaben und Rätsel, die echte Teamarbeit erfordern. In jedem Spielabschnitt verfügen Cody und May über komplementäre Fähigkeiten, wie Magnete, die sich anziehen oder abstoßen, Klebemasse und Flammenwerfer, der die Masse zur Explosion bringt. Das Spielprinzip erinnert an Gears of War.

Besonders beeindruckend ist das Level, in dem einer der Spieler winzig klein und der andere riesengroß wird. Während der kleine Spieler Batterien in Robotern einsetzt, bahnt der große Spieler den Weg dorthin von außen. Die Unreal 4 Engine setzt die optischen Illusionen der Größenunterschiede perfekt in Szene.

Auch auf der Series S optisch top

Selbst auf der günstigen Xbox Series S läuft das Spiel durchweg mit 60 FPS und die Ladezeiten sind auf den aktuellen Konsolen nicht existent. Ich hätte den Entwicklern nicht zugetraut, dass sie solch eine visuelle Illusion so gut umsetzen können. Insgesamt ist das Spiel ein technisch beeindruckendes Erlebnis, das echte Teamarbeit erfordert.

Die drei Schattenseiten von It Takes Two

Ich muss sagen, das Spiel hat mich total überrascht und ich kann es jedem empfehlen, der gerne zusammen mit Freunden oder der besseren Hälfte spielt. Allerdings habe ich seit zwei Jahren mit drei Personen versucht, endlich durchzuspielen. Letztlich geschafft habe ich es, wie eingangs erwähnt, mit Mo. Wir sind ein erprobtes Koop-Team selbst in schweren Spielen wie Portal 2. Allerdings hat It Takes Two meiner Ansicht nach riesige Schwächen, die ein Durchspielen mit anderen verhindert haben.

1. Das Spiel ist zu schwer

Ich hätte es gerne mit meiner Frau gespielt. Aber die spielt vielleicht mal Lumines oder The Witness, aber ihr fehlt die Übung am Controller für die herausfordernden Geschicklichkeitspassagen. Auch wir haben mehrere Versuche benötigt, um die knackigen Bosse zu schlagen. Ich kenne auch viele „Paare“, die es aus diesem Grund abgebrochen haben.

2. It Takes too long

Im Schnitt benötigt man nur knapp 14 Stunden für den Titel. Dabei flutischen die ersten Abschnitte nur so durch und sind in Sachen Story und Gameplay nahezu perfekt. Bis dahin ist es ein „Game of the Year“ für mich gewesen. Leider empfand ich die langweiligen Level „Cuckoo Clock“ und „Snow Dome“ als schlecht und deswegen viel zu lang. Am Ende fängt es sich dann wieder, aber hat in dem Abschnitt mit den Engeln und Teufeln wieder Aufgaben, die langwierig sind. Hier hätte man den Rotstift ansetzen müssen, um das Spiel stärker zu komprimieren. Aber ich verstehe auch, dass es ein Triple-A-Titel sein will und entsprechend auch einen gewissen Umfang für den hohen Preis zu bieten.

3. Nicht alle Rätsel sind genial

Während die Abschnitte im Kinderzimmer von Rose brillieren, so sind andere Rätsel erst gar nicht als solche zu verstehen. Das ist für mich so wie bei den God of War: Ragnarök: Man versteht nicht, was das Spiel von einem will. Ich meine, Cody und May labern immerzu im Spiel, aber in dem Moment, wo man 5 Minuten lang rumprobiert, um zu verstehen, was überhaupt die Spielmechanik ist, könnte ein Hinweis schon helfen. Das betrifft dann vorwiegend Sprungpassagen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Frust und Herausforderung.

Aber die Botschaft ist überraschend stark

Spoiler! Insgesamt hätte ich mir mehr „All killer, No filler“ Momente für das Spiel gewünscht und nicht: „Dann machen wir einfach alles!“. Was ich hingegen wirklich gelungen finde, ist die Botschaft des Spiels. Ich wollte es vordergründig durchspielen, um die Auflösung der Geschichte zu sehen. Denn einfach nur „Deine Eltern möchten sich doch nicht scheiden lassen.“ wäre zu einfach. Stattdessen geht es im letzten Drittel darum, dass Cory und May sich selbst in Tätigkeiten wie Garten und Musik verwirklichen. Jeder lernt wieder Spaß an seinen Hobbys zu finden und der andere versteht, dass man dafür auch loslassen und den anderen unterstützen muss. Das fand ich wirklich toll und auch richtig. Denn nur wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben.

Schade Schokolade

So gerne hätte ich hier geschrieben, dass man It Takes Two auf jeden Fall durchspielen muss. Und für die ersten drei Level stimmt das auch so. Stellt euch aber auf Passagen ein, die schwer und nervig sein könnten. Wenn man die vier Papierfetzen sammeln muss, dann braucht es einen leidensfähigen Koop-Partner. Zum Schluss bestand die Paartherapie mit Mo darin, dass ich ihn mit Engelszungen überreden musste, es wenigstens durchzuspielen. Und das will bei einem Koop-Titel schon was heißen.

Das Spiel ist glücklicherweise gerade im Xbox Gamepass enthalten. Auch eine PlayStation und Nintendo Switch-Version (kaufen) sind erhältlich. Selbst der PC wurde mit einem gewohnt günstigen Steam-Release gesegnet.

Wertung