Ehemalige Entwickler von Telltale Games, den Machern von The Wolf Among Us, haben mit Dispatch einen visuell beeindruckenden, interaktiven Zeichentrickfilm geschaffen. Schauplatz ist eine Welt voller sexy Superhelden, in der man allerdings lange nach dem eigentlichen Spielelement suchen muss. Dieses besteht hauptsächlich aus einfachen Links-Rechts-Entscheidungen und nervigen Minispielen.

Vorproduzierte Animationen statt Echtzeitgrafik
Optisch ist Dispatch über jeden Zweifel erhaben. Der Stil erinnert an animierte Netflix-Serien wie Castlevania oder Devil May Cry. Während Telltale-Spiele damals in Echtzeit animiert waren, setzt Dispatch auf vorgerenderte Animationen – ähnlich wie das hervorragende Late Shift, das mit echten Schauspielern in London gedreht wurde.
Das sieht toll aus, schränkt aber die Entscheidungsfreiheit ein: Die Auswahlzeit ist begrenzt, und die Konsequenzen der Entscheidungen bleiben oberflächlich. Nach mehreren Durchläufen fällt auf – am Ende ändert sich kaum etwas. Die Handlung wird schlicht anders zusammengeschnitten. Schade, da wäre mehr drin gewesen.

Schwacher Sound trotz gutem Equipment
Was mich wirklich überrascht hat, war der Sound. Die englische Tonspur der Sprecher hört sich fabelhaft an. Gespielt habe ich auf der PlayStation 5 über eine Sonos Arc mit Subwoofer und Rear-Speakern – also eigentlich perfekte Bedingungen. Im Gegensatz zur Sprache klangen die Soundeffekte flach und kraftlos. Explosionen wirkten wie aus dem Off, ohne Druck oder Tiefe. Philipp, der neben mir saß, brachte es beim Intro-Kampf auf den Punkt:
„Da fehlt was, oder?“
Philipp beim Zugucken bzw. Zuhören
Immerhin: Die Musik passt und untermalt das Geschehen gelungen.
Die furchtbaren Minispiele
Neben den interaktiven Filmsequenzen gibt es drei Arten von „Gameplay“: Hacking, Quick-Time-Events und das titelgebende Dispatching, also das Zuteilen von Superhelden. Leider sind alle drei Varianten gleich uninspiriert.
Sie unterbrechen den Filmfluss und fühlen sich wie Fremdkörper an. Late Shift oder The Wolf Among Us haben gezeigt, dass weniger oft mehr ist – Dispatch hingegen verliert sich im bemühten Versuch, „mehr Spiel“ zu sein.

Weder The Boys noch Peacemaker
Ich liebe The Boys (Kennst du nicht? Guck den Trailer! JETZT!) und Gen V auf Amazon Prime – selten haben mich Serien so unterhalten. Die Mischung aus Satire, Brutalität und absurdem Humor funktioniert einfach perfekt. Auch Peacemaker schlägt in eine ähnliche Kerbe – nur etwas simpler gestrickt.
Mit dieser Erwartung bin ich in Dispatch gestartet – und wurde enttäuscht. Die Witze sind flach, meist bloß Beleidigungen ohne echten Biss. Die Story plätschert dahin, und ob mich „Blond Blazer“ nun mag oder nicht, ist mir herzlich egal. Spannung oder Ziel? Fehlanzeige.

Noch sechs Episoden offen
Von acht geplanten Episoden sind bislang nur zwei erschienen. Es besteht also Hoffnung, dass sich noch etwas tut. Wenn die Entwickler allerdings an den nervigen Minispielen festhalten, sehe ich schwarz. Das Charakterdesign ist fantastisch – umso trauriger, dass der Hauptcharakter, gesprochen von Aaron Paul (Breaking Bad), so blass und passiv bleibt. Vielleicht ändert sich noch etwas in späteren Folgen, aber aktuell bin ich raus. Beim ersten „Dispatch“ in Episode 3 ist für mich Schluss.

Update nach Episode 3 und 4
Leider besteht gefühlt das Spiel bis zur Halbzeit zu 70 % aus dem Dispatching Mini-Spiel. Das ist sehr schade. Zwar hat die Episode ein tolles Ende gehabt, wo der Soundtrack zum richtigen Zeitpunkt wieder fantastisch ist, aber das war es dann auch. Hoffen wir, dass es bald besser weitergeht.
Wer es selber sehen will, spielt es auf der PlayStation 5 oder Steam. Die Xbox geht leer aus.

Das Fazit nach allen Episoden
Ich habe Episode 5, 6, 7 und 8 in einem Rutsch durchgespielt. Ironischerweise machte mir dabei das Dispatch-Minispiel überraschend viel Spaß – im Gegensatz zum Hacking-Minispiel, das einfach nur lächerlich schlecht umgesetzt ist. Im Kern hatte ich aber ein größeres Problem: Vieles ergibt schlicht keinen Sinn. Vor allem das Verhalten einzelner Figuren wirkt unlogisch, bis mir klar wurde, warum:
Diese Szenen müssen für alle möglichen Entscheidungen funktionieren. Und das merkt man bedauerlicherweise an jeder Ecke. Ein Beispiel ist die völlig bescheuerte Szene mit dem Hund: Warum kann ich den Hund nicht opfern, aber später sehr wohl den Bösewicht eigenhändig umbringen? Das Spiel will tonal in einer Liga mit „The Boys“ spielen, aber so etwas zerstört jede erzählerische Konsequenz. Und solche Ungereimtheiten gibt es einfach zu viele.
Ich habe mir anschließend mehrere alternative Enden auf YouTube angeschaut – und im Grunde ist es immer dasselbe, nur mit unterschiedlichen Zwischensequenzen dazwischen.
Kurz gesagt: Das Spiel ist nichts für mich.
Optisch stark, und bis auf den Protagonisten und seinen nervigen Hund mag ich viele Charaktere wirklich gern. Aber die Story ist mir zu lasch, zu unwitzig und zu irrelevant. Schade um die großartigen Animationen. Eine Netflix-Serie als Season 2 würde ich dagegen sofort schauen. Denn da kann mir auch niemand Minispiele reinmogeln.
Wertung
Dispatch: Optisch toller Animationsfilm mit starker Inszenierung und gutem Soundtrack – aber schwacher Story, flachen Witzen und nervigem Gameplay. – Marc








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