Die Idee, ein Action-Rollenspiel als Trilogie im Weltall mit glaubhaften Figuren zu entwickeln, ist für sich schon episch. Aber zudem jeden Spieler mit einem optisch individuellen Alter Ego in den Kampf zu schicken und diesem auch noch individuell moralische Entscheidungen innerhalb der Story treffen zu lassen, das kann nur Mass Effect. Nach fünf Jahren ist dieses Jahr nun der letzte Teil des vielleicht coolsten Rollenspiels erschienen.
Der Spielstand wird aus Mass Effect 2 übernommen
Die Mixtur und insbesondere der Kontrast aus den vielfältigen Dialogentscheidungen und der knallharten Aktion funktioniert noch immer. Meinen Commander Shepard konnte ich problemlos aus meinem Mass Effect 2 Spielstand auf der Xbox 360 importieren.
Kurz danach traf ich dann schon allerhand bekannte Gesichter aus meinen vorhergegangenen Weltraumabendteuern wieder und mache mich auf ins Weltall. Wohl wissend, dass meine hohen Erwartungen eigentlich nur enttäuscht werden können.
The Story so far
Das Universum und alle seine Bewohner werden nach wie vor von den Reaper bedroht. Diese gesichtslose Alienrasse will nichts geringeres als mit ihren riesigen, insektenähnlichen Raumschiffen jedes organische Leben auszulöschen. Dummerweise ist ihr aktuelles Ziel der Planet Erde und unsere Aufgabe ist es, dem ein Ende zu setzen indem wir uns Hilfe bei unseren verbündeten Alienvölkern holen.
Diese anderen Völker haben allerdings ihre eigenen Probleme. Entweder untereinander oder ebenfalls durch die Bedrohung der Reaper. Auch die Geheimorganisation Cerberus, angeführt durch den mysteriösen Illusive Man, macht Commander Shepard das Leben schwer indem sich Cerberus unverständlicherweise auf die Seite der Reaper schlägt.
Ein verzweifelter Kampf gegen die Reaper beginnt…
Gears of Mass Effect
Dass ich mir die meisten Episode fast alle lieber als Film angesehen habe, lag vor allem an den Gefechten. Diese sind mittlerweile spielerisch äußerst nah an der Gears of War-Serie. Leider ohne wirklich die Brillanz davon zu erreichen. Ich habe mit einem Mix aus Scharfschützengewehr und einigen Biotikkräften gespielt und die Kampfsituationen wurden schnell vorhersehbar und langweilig. Vielleicht liegt es daran, dass ich vorher Gears of War 3 im Coop durchgespielt hatte aber etwas mehr Abwechslung in den ersten zwei Dritteln hätte den Kämpfen sehr gut getan. Wenigstens hatte ich etwas Spaß mit den Aufrüstungsmöglichkeiten der Waffen.
Ich hatte das Gefühl, dass man es spielerisch allen recht machen wollte. Zu Anfang wird man sogar gefragt, ob man nicht die Kämpfe komplett weglassen möchte. Wer will schon ernsthaft nur die Hälfte von einem gekauften Spiel erleben?
Multiplayer braucht kein Mensch
Auch der Multiplayer ist eine Art Horde-Modus wie man ihn auch in Gears of War wiederfindet. Ich bin da auch ganz ehrlich und gestehe, dass ich nach der Multiplayer Demo von Mass Effect 3 diesen Modus im eigentlichen Spiel gar nicht vermisst habe. Ich halte ihn oberflächlich betrachtet auch für schlechter als andere Spielmodi dieser Sorte. Wenn ich Lust auf Horde mit meinen Freunden habe, dann spiele ich entweder – Überraschung! – Horde in Gears of War 3 oder Firefight bei Halo: Reach.
Anders wäre das natürlich bei einem echten Kooperationsmodus im Stil des MMORPGs Star Wars: The Old Repulic gewesen aber leider hat nichts davon den Weg ins das Spiel gefunden.
Flache Nebenplots
Innerhalb der angenehm kurzen Missionen treffen wir deswegen überraschenderweise unsere alte Crew wieder. Leider läuft das in der Regel so ab: Man landet in einem umkämpften Gebiet und muss an Punkt A) Leute treffen. Davon ist mindestens einer das alte Crewmitglied XY. Dann greift plötzlich Cerberus an und wir müssen uns den Weg zurück zur Landezone frei schießen. Danach hat man einen Gesprächspartner mehr auf der Normandy, mit dem man über den Untergang der Welt und/oder alte Zeiten reden kann.
Ich werde auch nie verstehen, warum die guten Antworten immer oben und die Bösen immer unten im Dialoque Wheel zu finden sind. Ich habe nicht die Disziplin die Möglichkeiten durchzulesen sondern entscheide mich immer für eine Seite. Je nachdem ob ich gut oder böse Spiele. Da man nicht dafür belohnt wird, neutral zu bleiben, führte das bei mir dazu, dass ich irgendwann blind gedrückt habe.
Schade fand ich auch, dass das Spiel keinerlei Überraschungen im Verlauf der Story bietet. Wieso ist der Illusive Man einfach nur böse? Wieso verrät mich nicht die Person, mit der ich mich in einer sexuellen Beziehung befinde oder etwas in der Art? Wieso sind alle so schrecklich langweilig und loyal? Es muss ja nicht gleich etwas in der Art von The Others oder Sixth Sense sein aber etwas mehr eigentliche Handlung hätte ich gut gefunden. Das große Ganze inklusive Weltuntergang und den einzelnen Alienvölkern, deren Geschichten intelligent miteinander verwoben sind, ist sehr unterhaltsam und wirklich durchdacht. Die Sequenzen auf dem Weg zum großen Showdown sind ebenfalls handwerklich gut gemacht aber dadurch, dass es Zwischensequenzen sind, entspanne ich mich dabei eher als dass ich dem Gesehen auf dem Bildschirm mitfiebere. Gegen eine TV-Serie wie Boardwalk Empire oder Twenty-Four hat die Story der Nebenmissionen einfach keine Chance und wirkt zu flach.
In solchen Momenten habe ich mich an das hochgelobte aber leider recht unbekannte Jade Empire zurück erinnert, das ebenfalls von BioWare zu Zeiten der Xbox 1 entwickelt wurde. Da gab es Storytwists, die man nicht so einfach vorhersehen konnte. Bekommen wir nach Mass Effect 3 vielleicht ein Jade Empire 2?
Neue Minispiele
In Mass Effect 2 hat es sicherlich viele so genervt wie mich: Das Scannen von Planeten. Bei Mass Effect 1 musste man sogar noch mit dem Mako auf den einzelnen Planeten landen um dort nach irgendwelchen Ressourcen zu Suchen. Beim letzten Teil der Trilogie reicht ein Druck auf die rechte Schultertaste um in einem bestimmten Umkreis der Normandy nach versteckten Ressourcen zu suchen. Dieser Scan lockt aber leider die Reaper an und somit muss man vorsichtig sein, wie oft man diese Funktion einsetzt. Letztendlich ist das die bisher am wenigsten nervende Lösung der Serie. Ich konnte es leider viel zu einfach exploiten, in dem ich ein Savegame direkt vor einem Gebiet gesetzt habe und mit dann per Trial and Error die Punkte identifiziert habe, in denen etwas versteckt liegt.
Des weiteren erfreut sich Shepard auch kurz vor dem Untergang der gesamten Galaxie mit wachsender Begeisterung an seinen beiden Hobbies: Fische und Raumschiffmodelle kaufen und sammeln. Daran hat sich nichts geändert.
Audiovisuelle Orgie
Wenn man sich die Präsentation von Mass Effect 1 mit ihren Texturnachladern und ewigen Ladezeiten auf der Citadel mit der Orgie namens Mass Effect 3 vergleicht, dann kann ich kaum glauben, dass dieses Spektakel mit der Unreal 3 Engine auf derselben Hardware wie damals stattfindet. Der dritte Teil läuft nicht nur flüssiger als Teil 1 und Teil 2 sondern sieht dabei noch deutlich besser aus.
Manchmal konnte ich gar nicht glauben, dass die Sequenzen in Echtzeit berechnet werden aber der angepasste Shepard ist der Beweis, dass nur sehr wenige Sequenzen als Film abgelegt wurde. So unspektakulär das Spiel auf der Erde anfängt, umso beeindruckender hört es grafisch auf. Manchmal habe ich minutenlang einfach nur dagestanden und habe mir die Umgebung ansehen. Raumschiffe zischen über meine Kopf, in weiter Ferne zerlegt ein Reaper gerade mit seinem Laser eine Armee und oben im Himmel sieht man einen intergalaktischen Krieg vor der Kulisse eines von Bombeneinschlägen gezeichneten Planeten. Wow.
Das letzte Gefecht
Spoiler! In diesem Abschnitt verrate ich wichtige Details zum Storyverlauf. Wer das Spiel noch nicht durchgespielt hat, sollte erst beim Fazit weiterlesen. Nachdem man die Festung des Illusive Man angegriffen hat, wurde das Spiel für mich wieder interessant. Der Weg dorthin war abzusehen aber sich den Reapern mit der Hilfe seiner Verbündeten direkt entgegenzustellen, wurde in meinen Augen sehr gut inszeniert. Das Gefühl der Übermacht des Feindes war zu jedem Zeitpunkt präsent. Der angeschlagene Shepard, die Musik und das Chaos drumherum sind sicherlich ein Highlight, das ich nicht so schnell vergessen werde.
Mögliche Deutung des Finale
Dank dem erhellenden Kommentar von Daniel und diesem Video, erscheint mir das Ende nun in einem völlig neuen Licht: Eine Theorie ist, dass Shepard in Wirklichkeit nie den Teleporterstrahl der zur Citadel führt, erreicht. Statt dessen erliegt einer Illusion, die durch den Harbinger erzeugt wird. Der Harbinger ist einer der ältesten Reaper und feuert auf Shepard bei einem Sturm in Richtung Transporterbeam. Nachdem der Commander davon getroffen wird, steht er blutverschmiert auf und hat plötzlich eine Waffe mit unendlich Munition in der Hand und schafft es gerade so in den Traktorstrahl.
All das, was auf der Citadel passiert, ist nicht echt, sondern passiert in Shepards Kopf. Oben in der vermeintlichen Citadel findet er nun Anderson und den Illusive Man vor. Diese repräsentieren die beiden Hälften seines indoktrinierten Gehirns. Wie einst Saren kämpft Shepard nun in seinem Kopf gegen die Reaper… Unter diesen Umständen macht das Ende und seine verschiedenen Versionen noch mehr Sinn.
Wer noch tiefer einsteigen möchte, der kann sich die 90-minütige Dokumentation zu dem Thema Indoktrination von Shepard ansehen.
Fazit
Ich habe Mass Effect 3 mit einem perfekten Spielstand aus Teil 2 inkl. aller DLCs angefangen. Ich musste mich komischerweise von niemandem trennen und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass am Ende jemand gestorben ist, weil ich die falsche Entscheidung getroffen habe. Mein Charakter hatte seine blaue Moralleiste schon nach dem zweiten Drittel voll. Ich hätte mir gewünscht, dass die Entscheidungen die ich treffe, viel mehr Tragweite haben und sich meine vermeintlich gut gemeinten Entscheidungen doch noch negativ oder wenigstens anderweitig interessant auswirken. Das Kampfsystem habe ich subjektiv in Teil 1 und vor allem Teil 2 deutlich besser wahrgenommen. Vielleicht muss ich das Spiel aber wie die Vorgänger nochmal als reiner Biotiker nochmal auf dem schwersten Schwierigkeitsgrad durchspielen.
Letztendlich hat Bioware vieles richtig und nur wenig falsch gemacht. Zu letzterem zähle ich zum Beispiel, dass für die Szene, in der Tali’Zorah endlich ohne ihre Maske zu sehen ist, einfach ein Bild von Getty Images leicht verfremdet wurde. Technisch gehört es trotz solche Kleinigkeiten jetzt schon zu den beeindruckendsten Spielen dieses Konsolenzyklus. Und kaum eine andere Spieleserie wurde mehr auf diese Konsolengeneration zugeschnitten wie diese. Nie zuvor wurde für ein Spiel eine so komplexe und zugleich glaubhafter Welt erschaffen in denen die einzelnen Charaktere so detailliert herausgearbeitet worden sind. Das Spiel hat mit seinem Genre, seiner Story und Gameplay zu größten Teilen dem entsprochen, was ich mir vor fünf Jahren bei Erscheinen von Mass Effect 1 gewünscht hatte. Leider hat es auch nicht viel mehr probiert und dadurch weder negativ noch positiv überrascht. Mission accomplished.
Wertung
Mass Effect 3: Über das Ende kann man sich streiten aber insgesamt eines der besten Spiele in den letzten Jahren. Der RPG Anteil hat leider im Vergleich zu Teil 1 Uhde nochmal abgenommen. Dafür gibt es zig Details in der Story und den Alienrassen, die einfach Spaß machen. Tipp: der letzte DLC "Citadel" ist der Oberkracher und Fanservice pur. – Marc
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