Während meines Zivildienstes um 2001 herum, hatte ich intensiv einen krebskranken Jungen betreut. Kurz bevor er leider verstorben ist, hatte er mir netterweise seine PlayStation 2 für einen Monat, im Austausch gegen meine Dreamcast, geliehen. Letztendlich wollte ich die Konsole nämlich nur für ein Spiel haben: Final Fantasy X.
10(00) Jahre
Nach dem Durchspielen in Rekordzeit musste ich die PlayStation 2 natürlich wieder abgegeben und war der Meinung, dass ich eines der bis dato besten Spiele erlebt hatte. Sogar besser als die meisten Filme, die ich gesehen habe. Dazu kam das unbefriedigende Gefühl, dass ich durch den Zeitdruck dem Spiel nur zu Hälfte gerecht wurde. Für eine eigene PlayStation 2 fehlte mir damals dann auch das nötige Kleingeld und so blieb mir dieser Wunsch erstmals verwehrt.
Als ich dann zu meinem 20. Geburtstag überraschend von meiner damaligen Freundin meine eigene PlayStation 2 geschenkt bekomme habe, konnte ich Final Fantasy X endlich in Ruhe noch mal mit dem hilfreichen Piggyback Spieleführer durchspielen. Dummerweise habe ich dann am Ende bemerkt, dass mich die Balken der PAL-Version des Spiels fürchterlich nerven. Also habe ich mir die US-Version bestellt – und es sofort angefangen.
In High Definition auf dem Mac
Fast 10 Jahre später ist mein aktueller Mac nun so schnell, dass ich die Final Fantasy X (US) DVD in einer unglaublich hohen Auflösung (6-mal so hoch wie im Original) noch mal spielen darf. Der PlayStation2 Emulator PCSX2 erlaubt mir sogar während des Spielens das Erstellen von Screenshots meiner Durchgänge.
Palmen und Strand
Ich habe mich oft gefragt, was dieses Spiel so besonders für mich gemacht hat und warum ich es nun zum vierten Mal spiele. Da wäre zum einen das Setting mit seinen harten Kontrasten zwischen den düsteren Passagen und dem farbenfrohen Karibik-Flair. Da hatte Squaresoft wohl bei sich selbst aus dem brillanten Chrono Cross geklaut. Zum anderen ist es auch ein Spiel, dass technisch endlich nichts mehr mit seinen pixeligen Vorgängern zu tun hatte. Sosehr ich Secret of Mana oder Final Fantasy VII auch mag, aber deren spartanische Grafik mit Textblasen konnte bei mir einfach weniger Emotionen auslösen.
Mich hatte auch immer verärgert, dass die Spiele vor allem wegen ihrer kindlichen oder zu brutalen Anmutung von Nichtspielern gar nicht erst ernst genommen wurden. Final Fantasy X war da wie ein Befreiungsschlag. Endlich konnte man mal die erste Stunde von einem Spiel demonstrieren, ohne dass gleich gefragt wurde, ob man nicht lieber einen Film sehen sollte. Das verdankte das Spiel den Unschärfe-Effekten in der Echtzeitgrafik, welche diese auf fast schon filmisches Niveau angehoben haben.
Fortschritt durch Technik
Für mich hat die grafische Präsentation eines (Rollen-)Spieles einen sehr großen Anteil am Spielspaß. Das westliche Rollenspiel Elder Scrolls IV: Oblivion wäre ohne die riesige begehbare Landschaft durch den damaligen Techniksprung gar nicht möglich gewesen. Umso glücklicher bin ich, dass mir der Emulator erlaubt diese Reise visuell im neuen Glanz noch mal erleben zu dürfen. Die 5-fach höhere Auflösung mit Kantenglättung bei den jedenfalls damals noch 60 Bildern pro Sekunde geleitet die visuelle Ästhetik ins Jahr 2011.
„This is your Story“
Die Handlung beginnt, kurz sie schon fast wieder vorbei ist: Inmitten eines Trümmerfelds sitzen die Hauptcharaktere stumm an einem Lagerfeuer, bevor sich der Protagonist Tidus und Alter-Ego des Spielers aus dem Off meldet und dem Spieler mitteilt, dass er nun seine Geschichte erzählen möchte. Dabei ist es eine Geschichte über das Erwachsen werden. Denn letztlich wirkt die Welt, in der Tidus aus der Zukunft gestrandet ist, genauso unbekannt und unwirklich, wie für mich damals die reale Welt gewesen ist. Durch die Abenteuer und der meiner Meinung nach unerreichten Storytwists des Plots wächst er über sich hinaus und lässt den Spieler durch seine Kommentare des älteren Tidus an seiner Reflexion der Geschehnisse teilhaben.
Wie schon bei der Animeserie Neon Genesis Evangelion spielt in der Handlung die Rolle des Vaters eine wichtige Rolle. Ich habe die Reise von Tidus auch als Entwicklung vom Jungen zum erwachsenen Mann verstanden und betrifft mich damals so wie auch heute noch gleichermaßen. Wenn der Abspann über den Bildschirm läuft und man realisiert hat, wie die tragischen Zusammenhänge sind, das ist das mindestens so ergreifend wie das Ende von ICO.
„I think I am a story creator and storyteller at heart.“
Hironobu Sakaguchi
Leider war wohl damals jemand im Produktionsteam der Meinung, dass eine Liebesgeschichte in das Spiel gehört. Das ist durch die Figuren und die Sprachausgabe bedauerlicherweise teilweise etwas seltsam geworden, wie in der peinlichen Szene, als Yuna und Tidus zusammen lachen üben.. Aber über solche Fehlentscheidungen kann ich auch gerne mal hinwegsehen. Beim Emulator kann man dann auch einfach die Spielgeschwindigkeit auf 800 % stellen und muss es nicht ertragen.
Final Fantasy 10+X
Nach Teil 10 hat wahrscheinlich ein Businesskasper bei Squaresoft durch die guten Verkaufszahlen beflügelt gesagt, dass man sofort einen Nachfolger benötigt. Da Final Fantasy XI Online schon geplant war, hat man sich dann auf Final Fantasy X-2 als Namen geeinigt. Bis auf den einen wirklich guten Song „1000 Words“ ist dieses Machtwerk eine Ansammlung von reinem Kitsch. Die Entwickler haben einfach nur ihre Projektdateien von Final Fantasy X aufgemacht und eine Extraportion J-POP und Schmalz reingekippt. Das Ergebnis kann man als peinlichen Versuch abtun, den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Der schlechte Nachfolger: Final Fantasy X-2
Leider hat man aus Final Fantasy X-2 einfach nicht gelernt. Das aktuelle Final Fantasy XIII war meiner Meinung nach deshalb nicht erfolgreich, weil es schlicht zu kitschig geworden ist und keine neuen technischen oder spielerischen Akzente gesetzt hat. Heute erwartet man einfach keine linearen Rollenspiele mehr. Der Vorgänger Final Fantasy XII hat das Gameplay eines MMORPGs mit Quests und einer programmierbaren Party gegen die rundenbasierten Kämpfe eingetauscht.
Dabei konnte ich der letzten Inkarnation der Serie im Vergleich zur Fachpresse noch verhältnismäßig viel Spaß. Das bedauerlicherweise oft unterschätze Lost Odyssey (2007, Xbox 360) ist bis jetzt zumindest ab der zweiten Spiele-DVD der würdigste ideologische Nachfolger von Final Fantasy X.
Videospiele können mehr sein
Videospiele sind nach wie vor ganz am Anfang dessen, was sie für mich sein könnten. Ich hoffe einfach, dass nach der Fuchtel– und Touchphase jemand noch mal genügend Geduld aufbringt und das Geld in die Hand nehmen wird, um mit neuen technischen Mitteln wieder wunderschöne interaktive Geschichten zu erzählen. Ich habe mich auch damit abgefunden, dass nicht jeder diese Faszination in Bezug auf solche Spiele teilt. Man muss sich sehr intensiv mit dem Medium Videospiel auseinandersetzen und viel Zeit aufbringen, um sich auf eine Rollenspielerfahrung einzulassen. Für mich werden Spiele wie Final Fantasy X aber immer zur Königsklasse der Computerspiele gehören. Final Fantasy X hat mich davon überzeugt, dass Videospiele mehr sein können, als zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Knöpfe zu drücken.
Lustigerweise wurde direkt nach diesem Artikel der offizielle Final Fantasy X Remaster angekündigt. Den kann man nun überall kaufen.
Wertung
Final Fantasy X: Final Fantasy 10 ist für mich mit Abstand der beste Teil der Serie. Ich mag das tropische Flair und die Welt an sich mit ihrem Mix aus Technik und Magie. – Marc
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