In jüngster Zeit habe ich nur ein Spiel auf dem PC gespielt: Anarchy Online. Tatsächlich hat das MMORPG einen besonderen Platz in meinem Herzen. Es war eine sehr intensive Zeit mit diesem damals noch sehr neuen Medium.
Anarchy Online hat mich beeinflusst
Noch lange vor World of Warcraft habe ich dank Anarchy („7 Tage kostenlos!“) Online mein erstes 3D MMORPG auf dem PC gespielt. Zusammen mit meinen Freunden aus der Studienzeit habe ich mir die Nächte um die Ohren gehauen und auch darüber programmieren gelernt. Denn irgendwer musste ja die Webseite der Gilde („Organisation“) vorantreiben. Angesiedelt im Cyberpunk Genre mit toller Musik und Atmosphäre hat man die Wahl zwischen diversen Berufen. Leider ist das Spiel vor allem aus heutiger Sicht weder grafisch noch spielerisch relevant.
Online-Rollenspiele bedeuten Freiheit
Man ist frei, was man im Spiel machen will. Die Welt lässt dem Spieler einen ungeheuren Handlungsfreiraum, weil die Welt die im Falle von Anarchy Online »Rubi-Ka« heißt, durch andere Spieler bevölkert wird, und nicht wie bei Offlinespielen durch vom Computer generierte Figuren.
Bei Anarchy Online hat man sich im Gegensatz zu den anderen MMORPGs wie Final Fantasy XI oder World of Warcraft an ein SciFi-Setting herangewagt. Es sieht aus wie ein Mix aus Matrix, Star Wars und Star Trek. Es gibt Lichtschwerter genau so wie Sonnenbrillen. Sogar ein eigenes Modelabel existiert im Spiel selber von dem es neben Abendgarderoben auch Bikinis und Badehosen gibt. Alles zusammen mit weiteren 36.000 Spielern die Rubi-Ka zu dem machen, was es heute ist: ein lebender virtueller Planet.
Gameplay
Natürlich besitzt das Spiel auch neben diesen ganzen Spielereien ein Gameplay. Das ist vergleichbar mit herkömmlichen Rollenspielen im Computerspielebereich: Ein Skillsystem. Je mehr Erfahrung eine Spielfigur im Spiel erlangt wie z.B. durch Kämpfe desto höher steigt das Level der Figur und man kann die Werte wie »Stärke«, »Pharmazie« oder »Ausdauer« usw. erhöhen.
Komplexität als Spielidee
Insgesamt gibt es über 70 Skillwerte die man beinflussen kann. (Philipp, berichtige mich). Diese Werte erlauben es dem Spieler wiederum bestimmte Gegenstände zu benutzten. So ist es am Anfang mit Level 1 nicht möglich sich ein fliegendes Auto zu kaufen. Erstes fehlt einem das virtuelle Kleingeld dafür und zweitens hat man nicht genug Level um »Air Vehicle« zu skillen. Anarchy Online ist außerdem ein Spiel welches man auf gar keinen Fall alleine spielen sollte und auch nicht kann. Es es wahnsinnig kompliziert. Es ist viel komplexer als jedes Offline-RPG wie z.B. Gothic 2 oder Morrowind. (Glaubt mir Felix eh nicht). Auch World of Warcraft oder Final Fantasy XI sind wesentlich einsteigerfreundlicher, was aber nicht bedeutet, dass es eine Hürde darstellt.
Denn wenn man sich zusammen mit Leuten einloggt, die es schon gespielt haben ist es nicht nur einfacher sondern macht auch viel mehr Spaß. Es gibt keine echte Beschränkung wie viele Leute gleichzeitig auf den Bildschirm sein dürfen. Nur da jeder Charakter theoretisch andere Schuhe, Brille, Unterhose, Waffe, Hut ect. am Körper haben kann ist das eine echte Belastung für den Arbeitsspeicher des Computers, wenn man Bereiche betritt, die voller Spieler sind.
Das Beste ist nicht gewollt
Alle zwei Monate gibt es dann auch Discosessions (!) mit einem Live-Stream aus WinAmp zu dem man mit seiner Spielfigur abrocken kann. Außerdem kann man sich später mit Hilfe von anderen Spielern in die Fauna von »Rubi-Ka« verwandeln und manche Leute leben dann im Spiel als Rudel zusammen – permanent verwandelt als kleines Nagetier.
Andere Leute laufen ausschließlich im Smoking rum und nennen sich dann »Best Dressed Defenders of Rubi-Ka«. Außerdem erlauben sogenannte »emotes« seine Figur für alle sichbar im Spiel z.B. YMCA tanzen zu lassen oder dem gegenüber dem Hintern zu zeigen. Das hört sich nicht nur abgefahren und krank an – Das ist abgefahren und krank.
Patches gibt es wöchentlich
Im Laufe der letzten drei Jahre gab es neben den wöchentlichen Patches zur Ausbalancierung des Gameplays und zum Beheben von Fehlern auch diverse Add-On-Packs. »Notum Wars« eröffnete uns Spielern die Möglichkeit Türme in die freie Wildbahn auf Rubi-Ka zu bauen die uns dann bestimmte Skillwerte erhöhten. Das ganze könnte so einfach sein. Wären da nicht die zwei verfeindeten Lager auf Rubi-Ka: Omni-Tek und Clan. Zu Anfang muss man sich für eine Seite entscheiden auf der man kämpfen möchte. Wenn man nun einen Turm gebaut hat, kann der jederzeit von der Gegenseite angegriffen werden.
Shadowlands und Notum Wars
So wurde das Player VS. Player-Gameplay im Spiel aufgebohrt. Der nächste Add-On-Pack war dann umfangreicher und nennt sich »Shadowlands« und brachte neben neuen Waffen und Gegenständen und zwei neuen Berufen auch eine ganz neue Welt mit ins Spiel, die fast genau so groß ist wie die von Rubi-Ka. Mit dem letzte Add-On-Pack »Alien Invasion« ist es möglich, ganze Städte zu bauen die dann von Aliens angegriffen werden können. Wenn das passiert, kann man sich bis zu den Mutterschiffen vorballern und besonders seltene Gegenstände bekommen.
Ich habe während des Zivildienstes zum ersten Mal angefangen, das Spiel zu testen weil mich diese Art von Spiel schon immer interessiert hat. Damals war ich alleine auf dem US-Server, weil es den deutschen Server noch nicht gab. Dann im Studium hatten ein paar Leute Bock das ganze mal mit mehren Leuten auszuprobieren. Philipp war einer der ersten, der es damals installiert hat. Da gab es Anarchy Online zum testen ganze »7 Tage kostenlos«. Er rief mich dann nach einem Tag an weil er es alleine ausprobiert hatte und brüllte nur ins Telefon:
“Marc, was ist das denn für eine Scheisse? Ich checke hier nix! Ich logg mich wieder aus aus dem Mist. Ich spiele wieder Diablo! Tschüss!”
Philipp Anders (heute „Assimilate“, Level 220 auf Rubi-Ka)
Buffen und Skillen
Naja, nach zwei Tagen als er es dann nochmal zusammen mit seinen Mitbewohnern in seiner WG ausprobiert hatte, sah die Welt schon anders aus. Vokabeln wie »buffen«, »skillen« oder »impen« gehörten bald zur Tagesordnung in der Uni. Sehr zum Leidwesen der nicht spielenden Kommilitonen. Aber immer mehr und mehr Leute fingen an zu Spielen und als wir dann mit Headsets und Teamspeak anfingen haben wir in den Semesterferien teilweise bis morgens um 9 durchgespielt.
Defloration ist einmalig
Ich glaube kaum, dass ich nochmal ein Spiel finde was mich so krass flashen wird wie damals Anarchy Online. Der Unterschied zwischen uns und vielen anderen Spielern war, dass wir die anonyme Mauer im Spiel durchbrechen wollten. Wir veröffentlichten Bilder von den RealLife-Meetings und nahmen das Spiel generell nicht als zu ernst. Das Miteinander stand im Vordergrund.
Nach und nach spielten immer mehr Leute aus meinem Umfeld das Spiel wie Philipp, Mario, Maike, Mark, Fabian sowie viele neue Gesichter. Auf RL-Treffen unserer Org lernte man sich dann näher kennen und eine Partnerschaft ist dadurch sogar zustande gekommen. Wie die Geschichte weiterging kann man auf der Seite unserer Organisation »Blue Assassins« nachlesen. Leider gibt es diese Seite nicht mehr. Dafür aber jede Menge Bilder aus der Bildergalerie von damals.
Anarchy Online Screenshots
Anarchy Online war zu seiner Zeit ein wunderschönes Spiel. Jedenfalls auf einem Röhrenmonitor in 800 × 600 Pixeln.
Anarchy Online ist ohne die Add-On-Packs kostenlos
Das lässt sich unter anderem durch die neue Werbung im Spiel realisieren. Ich finde das so witzig, dass ich selbst als zahlender Kunde manchmal die Werbung anmache. Mit dem Intro von Anarchy Online schwelge ich nun wieder in Erinnerungen an Rubi-Ka.
Wertung
Anarchy Online: Anarchy Online ist mittlerweile Free-to-Play und deswegen sollte man es sich auch mal kurz anschauen. Insgesamt wäre es nur eine 6.5 aber es bekommt einen Nostalgiebonus von einem halben Punkt. – Marc
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