Berufs- und interessenbedingt habe ich mich zuletzt noch mit der möglichen Zukunft von Zeitungen auseinander gesetzt. Doch das Massenmedium Radio steht vor den selben Chancen und das selbe Problem wie Zeitungen und das Fernsehen: Die „Bedrohung“ durch das Internet. Die Frage ist nur: in welche Richtung und was bedeutet das für das Medium und seine Nutzer?
Die Rolle des Radios in den 80er Jahren
Im Jahre 1981 haben viele das Radio schon praktisch tot gesehen: MTV ging als Musiksender an den Start und brachte zu den Songs auch bewegte Bilder und vermittelte einen gewissen Pop-Livestyle. Doch wie das so bei Medien ist: Sie verschwinden nie ganz sondern ändern nur ihre Funktion. Deswegen wurde das Radio als Zusatz zum Fernsehen akzeptiert. Staumeldungen und Musik wären mit dem Fernseher im Auto wohl auch etwas deplatziert gewesen.
Für Nachrichten hingegen schalteten die meisten zu bestimmten Zeiten den Fernseher statt dem Radio ein. Die visuelle Anreicherung von Informationen ist hier wohl der springende Punkt. Auch die sogenannten Blockbuster bzw. „Straßenfeger“ im Form von Hörspielen verlagerten sich ins Fernsehen. Lange vorbei waren die Zeiten als man noch 1938 die Hörer mit Krieg der Welten erschrecken konnte und eine echte Massenhysterie ausgelöst hat.
Musik in den 90er Jahren
In den 90er Jahren, als es noch bespielbare Compact Cassetten gab, habe ich immer im Radio auf bestimmte Lieder gewartet um diese dann auf meine Kassetten aufzunehmen. Das war damals als jugendlicher die einzige Möglichkeit kostenlos an Lieder zu kommen als es noch kein DSL-Internet mit Tauchbörsen wie später Napster und Audiogalaxy gab.
Mit dem Siegeszug der MP3s erblickte auch der Internetradio-Dienst Shoutcast der WinAmp-Entwickler das Licht der Welt. Mittlerweile ist ein Index der Online-Radiostationen schon in jeder Abspielsoftware von iTunes bis WinAmp eingebaut. Diese sind meistens vorsortiert nach Genre denn es gibt mittlerweile kein Genre, dass nicht als Online-Radiostation verfügbar ist.
Radio-Vielfalt im Internet
Ob christliche Choräle, die Gesänge der Buckelwale, Klostermusik aus dem Himalaja, 80 Jahre Videospielemusik oder Bollywood-Balladen. Die Online-Radiosender haben meistens keine Moderatoren und weniger Werbung. Und wenn sie Moderatoren haben, dann sind diese manchmal unterirdisch schlecht oder streckenweise überraschend gut. Mittlerweile gibt es sogar Internet-Radiosender, denen man seinen Mix samt Moderation zuschicken kann und wenn er einen gewissen Standard erreicht hat, wird es mit ins Programm aufgenommen.
Bei einem herkömmlichen Radiosender wäre das undenkbar. Da ist es schon das höchste der Gefühle mal per Telefon ins Studio geschaltet zu werden um sich dann nach einer Gewinnspielfrage 100 EUR zu verdienen. Im Internet können die Hörer aber nicht nur direkt per Chat interagieren sondern können auch vollautomatisch abstimmen was als nächstes in die Playlist wandert.
Radio als Stream
Ich persönlich höre meistens Radio übers Internet, wenn ich nebenbei am Rechner eine längerfriste Aufgabe erledige und habe dazu meine drei Lieblingssender in einer Playliste und schalte eine Station weiter, wenn mir der Song nicht gefällt. Meistens ziehe ich jedoch meine Track-Sammlung aus iTunes vor. Somit weiß ein Internetradio ziemlich genau, welche Hörer bei welchem Lied aussteigen ohne dass man teure Telefonumfragen machen muss. Und endlich haben auch kleinere Interessensgruppen die Chance sehr günstig sehr viele Leute zu erreichen. So werden z.B. CounterStrike-Matches live übers Internetradio GameSports.de kommentiert – im normalen Radio undenkbar.
Radio in Zeiten von Podcasts
Die Frage ist natürlich, was man aus dem Medium Radio in Zeiten des Internets noch rausholen kann. Das strikte Verbieten des Bürgerfunks über das Internet hat schon bei MP3s nicht geklappt und wird auch über bezahlten Inhalt in Form von Nachrichten im Print- und Onlinebereich nicht funktionieren. Wenn die ersten Mobiltelefone eine echte Datenflatrate besitzen und jeder überall mit seinem Handy jede Radiostation der Welt unterwegs anhören kann, dann sind die Karten wie beim Kampf von Tageszeitungen gegen das Internet neu gemischt. Was muss ein echter Radiosender mit Musikredaktion, Werbekunden, Vollzeitmoderatoren, Radiolizenz usw. mehr leisten um nicht unterzugehen? Und was ist mit der immer größer werdenden Anzahl an Podcasts? Was ist mit Web 2.0 Angeboten wie LastFM und dem hier in Deutschland verbotenen Pandora?
Diese Ansätze gehen noch einen Schritt weiter und lassen das Konzept von Radiostationen komplett fallen und lassen die Community bzw. eine Maschine über den eigenen Musikgeschmack entscheiden. Oder ist YouTube eigentlich jetzt schon das neue Radio bzw. der neue Musiksender? Was glaubt ihr?
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